Die 14°C fühlen sich im Niesel viel frostiger an, als sie sind. Wie ein nasses Tuch liegt der kalte Nebel über Ramberg, als wir unser Zeug zusammenpacken und eine Tasse Kaffee schlürfen. Obwohl das Bett und die flauschige Daunenbettwäsche großartig waren, hat Angelika diesen Platz nicht gemocht. Dass eine Nacht am Rambergstrand nahezu ebenso teuer war wie drei Tage in Hamnøy, ist wirklich ärgerlich. Komm, brechen wir auf!
Um 10:45 rollen wir vom Platz. Schon 2019 fiel uns beim Vorbeifahren die kleine rote Holzkirche von Flakstad auf, die so alleine auf weiter Flur steht. Die Insel Flakstadsøya ist hier flach, einige Sandstrände bilden die natürliche Gemeindegrenze. Schauen wir mal! Nach nur fünf Kilometern parken wir auf dem kleinen Schotterplatz.
Die Gemeindekirche ist so hübsch anzusehen! Ein wuchtiger Gedenkstein im Vorgarten erinnert an unzählige Fischer, die vor der Küste von Flakstad ihr Leben ließen.
Wir umrunden das 250 Jahre Gebäude, das heute Sonntag leider zugesperrt ist. Wann feiern die Leute hier ihren Gottesdienst? Wir können auf den alten Schildern keine Infos entziffern und so bleibt es bei ein paar Fotos. Wir versuchen, die einsame Gegend mit dem Kirchlein auf Bild zu bannen, was mehr schlecht als recht gelingt. Zumindest dringt trüber Sonnenschein durch die Nebeldecke.
Wir befinden uns immer noch in Lofotens einziger düsterer Ecke und im Schatten des hohen Moltinden und uns ist kalt. Ein seltsamer Anblick sind die Berge da drüben, die strahlenden Sonnenschein reflektieren, der genau an der nächsten Kurve beginnt. Nur Augenblicke später kurven auch wir wieder durch die bunte Landschaft des Lofot. Die Sonne wärmt uns auf, es hat plötzlich fast 20°C!
Wir düsen die Küste entlang und freuen uns über die Ausblicke auf zahlreiche Fjorde! Schon bollern wir durch den kleinen Unterwassertunnel bei Napp und vorbei am Skreda-Rastplatz, der auch heute vollkommen zugeparkt ist. Wir haben einen Plan! Ob auf den Nebenstraßen weniger Verkehr ist als auf der Touristenroute E10?
Ein Blick in die Karte und schon nehmen wir schwungvoll die Abzweigung nach Uttakleiv. Der Fv825 ist eigentlich zu schmal für schwere Wohnmobile aber dennoch brausen die uns hier entgegen, als gäbs kein Morgen! Vorsichtig zirkeln wir den schmalen "Sekundær Fylkesvegen" entlang, bis wir ganz einsam zwischen Bauernhöfen und kleinen glitzernden Seen dahinrollen.
Nach nur sechs Kilometern stossen wir bei Vian wieder auf die E10. Das war schön! Die Hauptstraße heißt hier "Vikingveien" und das hat einen guten Grund! Nur 10 Minuten später erreichen wir das Dörfchen Borg. Borg! Die von einem großen Wikingerstamm gegründete Siedlung, die auch den Namen des Clans trägt.
Vor fünf Jahren sind wir hier schon vorbeigefahren, aber nun schauen wir uns das an: Das Lofotr Vikingmuseum! Dieses Völkchen, das nur etwa 300 Jahre existierte und ihre Siedlungen zwischen Amerika und Kaukasus errichteten, fasziniert uns immer.
Hier in Borg wurde das größte jemals gefundene Langhaus rekonstruiert, nur einen Steinwurf vom Original entfernt. Ein wahrer Königspalast, 1.300 Jahre alt! Die Sonne scheint strahlend vom blauen Himmel, es ist warm und es gäbe keinen perfekteren Tag, sich .das alles anzusehen. Schon stiefeln wir den steilen Weg zum Eingang empor. Auf diesem Hügel residierte König Olaf Tvennumbruni mit seinen Leuten.
Mit tollen Audioguides (WLAN übers Smartphone!) ausgerüstet, spazieren wir im dramatischen Dunkel durch die vielen Ausstellungen und schauen alle Filme an. Besonders fasziniert uns die pathetisch in Szene gesetzte Geschichte des mächtigen Häuptlings der Borg, der seinem Stammesgebiet den Namen Lofot schenkte und hier sein Machtzentrum hatte. Man munkelt, dass er sich bei Gelegenheit in verschiedene Tiere verwandeln konnte.
Info: Olaf Tvennumbruni
Der mächtige Borg wurde um 880 n. Chr. hier geboren und erbte große Machtfülle. Jedoch als kriegerische Stämme aus Oslo gen Norden zogen entschied er, seinen Palast mit Bauernhof und hunderten Angestellten und noch mehr Tieren aufzugeben und nach Island auszuwandern. Er war gerade 20 Jahre alt und konnte den Aggressoren nichts entgegensetzen. "Lieber als Bauer in Island als unter fremder Herrschaft!"
Er übergab den Hof einem fähigen jungen Mann und nahm und seine kleine Tochter auf die Reise mit. Er wurde zu einem der ersten Besiedler Islands und - obwohl der Königswürde verlustig - als Großbauer wohlhabend und ein guter Herrscher über sein kleines Volk.
Nur seine Tochter konnte ihr Heimweh nach Norwegen nie überwinden. Als ihr Vater Olaf starb, vermachte er ihr den Schlüssel zum heimatlichen Langhaus in Borg! Den hatte er noch sentimental in seinen Sachen versteckt, der alte Gefühlsdusel! Sie begrub ihren Papa bei Reyklavik, hisste die Segel und schipperte mit kleinem Gefolge über das Nordmeer zurück nach Borg. Fünf Tage hat sie gebraucht!
Sie erblickte ihre alte Heimat, verliebte sich in den Sohn des Mannes, der das Langhaus damals von ihrem Vater bekommen hat und zog mit allen Würden einer Königstochter ein. Und sie lebten glücklich und zufrieden... happy ever after!
Rührselige Filme, mitreissende Interviews, bewegende Szenen aus des Königs wechselhaften Leben. Großartige Exponate und beeindruckende Artefakte gibt es im Museum zu sehen! Dann stiefeln wir durchs Langhaus. Der Königspalast ist mit 83 Metern das weltweit größte Wikingerhaus seiner Art und es ist bewohnt!
Zahlreiche Handwerker und Künstlerinnen arbeiten hier nach Wikingerart, man darf alles angreifen und ausprobieren. Nur die heiße Suppe aus dem Feuerkessel lassen wir aus: Die ist offenbar für eine Touristengruppe reserviert.
Wir freuen uns, so viel Zeit zu haben und spazieren jetzt auf den Gipfel des Hügels. Vorbei an den im Schlamm wühlenden glücklichen Wildschweinen und den Pferden, die uns mit sanften Augen beobachten.
Von ganz oben hat man einen herrlichen Rundblick!
Sollen wir noch hinunter zum Hafen zu den Wikingerschiffen? Nein, das lassen wir aus. Wir haben die tollsten Drachenboote schon in Roskilde/DK gesehen und der Hafen liegt doch in einiger Entfernung.
Zum Abschluss gönnen wir uns noch eine Jause im Café des Wikingermuseums. Eine tolle Stimmung herrscht hier! Angelika ersteht im Souvenirshop noch ein hübsches Trink-Horn. Aus solchen tranken die Nordmänner zu ihren Festen den "Mjød". Das machen wir zu Weihnachten, da gibts auch bei uns den leckeren Honigwein!
Das Lied vom Met
Travel the woods, the plains and the sea
to savour the sweet gifts of nature unwithered.
And return once again
with the song of mead in your heart
that awakens the strength within.
Es ist 15:30, als wir uns wieder auf den Weg machen. Das war ein tolles Erlebnis! Immer noch scheint die Sonne, was für ein Glück! Es ist nur ein Katzensprung zurück nach Leknes, mit 3.700 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Lofoten. Wir füllen unsere Transalps mit dem guten 95er Blyfri randvoll und kaufen noch ein paar Kleinigkeiten für den Hüttenabend.
Kurz überlegen wir, ob wir am Volksfest teilnehmen sollen, das in den Straßen stattfindet, aber wir haben heute schon genug erlebt. Nur noch wenige Minuten bis zu unserem Ziel! Wir lassen die großartigen Transalps dahinfliegen und freuen uns über diese tollen, tollen neuen Motorräder!
Punkt 17:00 erreichen wir unseren Campingplatz in Stamsund. Vor einigen Tagen haben wir hier "Tschüss!" gerufen und nun erkennt man uns hier schon. Die nette Chefin schenkt uns schmunzelnd ein gratis Update und wir bekommen eine von den großen Hütten. Sensationell!
Das wird ein richtig gemütlicher Abend mit Spaziergang zum See, Travellunch, Kakao und Keksen, auch wenn die Reihe "Weißer Ware" unmittelbar vor der Hütte unsere Aussicht auf den See schmälert. Den schmalen Raum zwischen den Wohnmobilen füllen Klappsessel und -tische, auf denen Vasen mit kleinen Blümchen stehen. Es ist eng geworden auf diesem Platz, auf dem wir vor einer Woche noch fast alleine waren...
Tageskilometer: 65 km
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