Als das Handy uns mit schmissigem Sound weckt, steckt uns der gestrige Fahrtag noch in den Knochen. Es war eine unruhige Nacht, und Didi hatte frierend nach seiner Icebreaker-Wäsche gesucht. Angelika hatte sich schon abends in ausreichend 260g-Merino eingewickelt. Die Heizung schwächelte und in der Hütte war es saukalt und feucht. So etwas kannten wir bisher nicht. Üblicherweise verstehen die Nordlichter etwas vom Heizen!
Wir stossen die Hüttentüre auf und sofort scheint Trost spendende Sonne herein. Blauer Himmel und 12°C, Premiumwetter! Während wir am schnell angerührten Kaffee nippen, packen wir unsere wenigen Sachen zusammen und kehren nachlässig die Hütte auf. Um 8:45 Uhr rudern wir durch tiefen Schotter vom Campingplatz.
Wir bleiben auf der E4, warum auch nicht? Sie ist gemütlich zu fahren, ein paar Kurven bringen Abwechslung und die Gegend erscheint im Sonnenlicht so lieblich! Weite Felder wechseln mit dichtem Birkenwald und oft liegen glitzernde Seen am Wegesrand.
Die Provinz Västernorrland ist auf eine unspektakuläre Art wunderhübsch! Trotz alledem bekommen wir langsam Hunger und auch die Transalps benötigen bald neuen Stoff. Wo ist eine Tankstelle?
Auf gut Glück fangen wir nach 100 km bei Nordmaling die Motorräder ein und fahren mitten in den Ort. Tatsächlich finden wir eine CircleK-Tankstelle gleich am Ortsanfang! Ein paar Hotdogs und kalte Limo sowie 95 Blyfri für ein schnelles Frühstück sind ok, aber eigentlich wollten wir eine schönere Pause irgendwo am Ufer der Ostsee!
Wir entscheiden uns, nach Nordmaling rein zu fahren und mal zu schauen, was es da gibt. Es ist ein ruhiger Ort an diesem Montag. Das Leben geht hier seinen gemächlichen Gang und die Leute grüßen uns freundlich.
Aber es ist wie verflixt! Wir können den Weg zum Wasser nicht finden und verfahren uns in den Wäldern. Mittlerweile schwitzen wir in unsere Merinosachen und die Ostsee ist uns schnuppe.
Plötzlich bremst Didi seine Transalp hart herunter und deutet auf ein dekoratives Holzhaus rechter Hand. Eine Konditorei! Das passt uns jetzt prächtig und kurze Zeit später stehen wir mampfend im Schatten des hübschen Hauses.
Das frisch-lauwarme "Wienerbrød" mit Vanillepudding der Geschwister Magnusson schmeckt so lecker! Malin schenkt uns dazu noch zwei Becher Kaffee, das ist zu nett!
Später geht es weiter auf der E4 durch die Provinz Västerbotten. Die Straße erinnert uns an die besseren österreichischen Landesstraßen: ziemlich gerade, ein- und selten zweispurig, gemütliche Cruiserstrecken. Langsam kommen ein paar Wolken auf, aber nichts, was uns beunruhigt.
Wir haben unseren Plan von einer Pause am Ufer noch nicht aufgegeben. Nach etwa 100 km scheint die Gelegenheit günstig. Angelika entdeckt während der Fahrt nach Sikeå auf der Karte am Tankrucksack einen Weg, der direkt ans Ufer führt und bremst sich langsam ein. Das probieren wir!
Wir verlassen die E4 und holpern auf einem kleinen Single Track durch den winzigen Ort, der nur aus roten Holzhäusern zu bestehen scheint. Der Weg verschwindet plötzlich im dichten Wald, bevor er sich zum Ufer hin öffnet. Wir lassen die Transalps an der Wasserkante ausrollen und schauen uns um.
Sikeå-Hafen ist ein gottverlassener Ort. Der Campingplatz und der Bootsverleih scheinen geschlossen und nur wenige kleine Boote dümpeln im Wasser. Auch beim Båtklubb ist heute kein Betrieb. Wir reißen eine Kekspackung auf und trinken ein paar Schluck aus den Thermosflaschen. Ruhig ist es hier!
Noch bevor wir uns gemütlich einrichten können, fängt es zu regnen an. Unbemerkt von uns haben sich die Wolken verdichtet und die Sonne verschluckt. Hier ist nichts, was Schutz bietet! Fluchend packen wir unseren Proviant wieder ein und verlassen mit schlingernden Reifen diesen Ort.
Aber Petrus wollte uns nur veräppeln! Es hört gleich wieder zu regnen auf und wir verlegen unsere Pause 20 km weiter zu dieser großen OKQ8-Tankstelle bei Anäset. Wir stellen uns eine Auswahl leckeren Fastfoods zusammen und holen auch Nachschub an weichem Lakritz für unterwegs.
Während wir die guten Sachen verdrücken, prüft und ergänzt Didi den Ölstand unserer treuen Reisegefährten.
Wir entscheiden, die nächste Etappe von 130 km zu halbieren. Wir sind von gestern noch müde und wir wollen uns die Kräfte einteilen: das ist heute die längste Tagesreise der geplanten Tour. (So dachten wir. Aber dann in Nordnorwegen ... halt, das kommt später!)
Die E4 verläuft unverändert gemütlich geradeaus weiter und wir hängen unseren Gedanken nach, während wir die Transalps am langen Zügel dahinlaufen lassen. Die Pause bei Kåge fällt kurz aus. Beim Bootsklub gibt es nichts zu sehen und der Himmel verfinstert sich schnell. Wir checken noch kurz den Streckenverlauf und schon geht es weiter.
Ohne weitere Vorkommnisse (wenn man den schweren Hagelsturm nicht dazurechnet!) erreichen wir 50 km später unser Zwischenziel Jävre. Wir hoffen, den Leuchtturm schnell zu finden, den wir hier besichtigen wollen. Und tatsächlich ist er von der E4 aus bereits zu sehen und wir halten direkt darauf zu!
Kurz darauf parken wir vor dem ältesten Leuchtturm Schwedens, der hier als luftig-elegantes Stahlgerüst am Ufer des Jävrefjärden in einer Gruppe hölzerner Fischerhütten steht. Was für ein wunderschöner Anblick!
Das Weiß des 1871 konstruierten Leuchtturms bildet einen fantastischen Kontrast zum Blitzblau des Wassers, zum saftigen Wiesengrün und zum dunklen Holz der Häuschen.
Wir überlegen kurz hinaufzusteigen, aber bei nur 18 Metern Höhe gibt es wohl keinen besonderen Ausblick. Stattdessen knabbern wir ein paar Lakritzstangen und plaudern mit einem netten deutschen Paar, das hier am Campingplatz das einzige Wohnmobil aufgestellt hat und schon viele Wochen Richtung Norwegen unterwegs ist.
Es ist Vorsaison und die ganze Anlage ist noch nicht in Betrieb. Heike H. hat uns hier Bea´s leckeren Räucherfisch empfohlen, aber die Rökeri, die bereits mit Varmrökt Lax wirbt, ist noch nicht fertig. Auch die Terrasse des kleinen Cafés liegt noch als Haufen roh gezimmerte Bretter verstreut am Boden.
Wir hören das Hämmern von Werkzeug und das Kreischen einer Kreissäge, das die Ruhe durchschneidet. Der heiß geräucherte Fisch muss warten...
Als wir genug Fotos haben, klettern wir auf die Transalps und rollen gemütlich 20 km in unser Quartier in Bergsviken. Die Sonne hat sich durchgesetzt, als wir nach dem Einchecken die kleine Pizzeria finden und den Tag mit leckerer Pizza beenden. Es hat 12°C, die uns ziemlich warm vorkommen. Was für ein Unterschied zur ungemütlichen Fahrt gestern!
Beim örtlichen ICA-Supermarkt kaufen wir später noch ein paar Kleinigkeiten. Später machen wir noch einen kleinen Rundgang durch die ruhige und mit hellen Holzhäusern typisch schwedische Siedlung, bevor wir müde in die Federn kriechen.
Tageskilometer: 395 km
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