20. Tag: Helsinki-Fähre

Während Angelika unsere Lebensmittelreste zu einem kleinen Frühstück verarbeitet, klickt Didi draußen vor der Hütte schon die GIVI-Koffer an die Transalps. Heute beginnt die Rückreise! Wir haben überhaupt keine Eile, Finnland zu verlassen, zumal es sich heute bei mildem Sonnenschein und angenehmen 24°C präsentiert.

Wir haben noch schnell das Wichtigste geputzt und das Häuschen gekehrt, als wir um 12:00 vom Platz tuckern. Auch die Zeltcamper auf der Wiese da unten sortieren gerade ihr Chaos an Motorradausrüstung, Kleidungsstücken, Isomatten und Schlafsäcken. Wir schätzen, dass wir die gleich im Fährhafen treffen werden.

Der Campingplatz liegt wirklich genial! Man ist in einer halben Stunde im Zentrum Helsinkis aber es sind auch nur fünf Kilometer zur Fähre! Zur Sicherheit hat Angelika Googlemaps angeworfen und die billigen Kopfhörerohrstöpsel angesteckt und nun plärrt die nervtötende weibliche Stimme die Streckeninfos in den Helm. Wir wollen uns jetzt nicht verfahren!

Nur wenige Minuten später suchen wir den Check-In der Finnlines Richtung Travemünde. Meine Güte, wie schwierig kann das sein?! Wir kurven ziellos herum und können keine Schilder entdecken. Leider können wir uns auch nicht erinnern, wie es hier bei der Ankunft vor 14 Tagen ausgesehen hat... da waren wir wohl schon zu aufgeregt vor lauter Vorfreude auf Finnland!

Es ist 12:30, als wir uns in die Wartespur Richtung Deutschland einreihen und der Schalter da vorne sperrt gerade auf! Wir zeigen unser Online-Ticket, bekommen den Kabinenschlüssel und schon sind wir im Spiel. Verhalten tuckern wir in die Wartespur, die uns zugewiesen wurde. Ganz links, so wie meistens.

Wir kommen hinter einem Italiener zu stehen, der sein ziemlich ramponiertes Motorrad nach einem Schaden absucht. Wir wollen helfen und kommen schnell ins Gespräch. Der junge Mann hat in seinen Flitterwochen einiges mitgemacht! Der Honeymoon am Nordkapp konnte seine Frau wetterbedingt irgendwann nicht mehr überzeugen und sie ist einfach abgereist. Nun ist er die Tour alleine zu Ende gefahren und nach der Frau zickt jetzt auch noch das Motorrad rum. Wir versuchen, ihn ein wenig aufzuheitern, aber das wird wohl nichts mehr...

Ergiebiger ist das Benzingespräch mit dem netten finnischen Pärchen aus Oulu! Wir erzählen von unseren finnischen Erlebnissen und sie bedanken sich für die Unterhaltung mit der Weitergabe ihrer tollen Wetter-App mit Schwerpunkt auf Niederschlag. Ihr Motorradclub "MC 3 Drops" plant sogar die Tagestouren mit Foreca, wegen guter Regenprognosen! Danke schön, das ist nicht nur äußerst passend für die "3 Tropfen" sondern eine wirklich hilfreiche Info!

Endlich tut sich da vorne etwas und wir klettern auf die Motorräder. Ah! Ein "Ledebil" mit der Aufschrift "Welcome aboard" wird uns Motorradfahrer durch den Hafen lotsen. In Norwegen muss man hinter so einem Führungsfahrzeug durch Baustellen zuckeln und das nervt unglaublich, aber hier ist es sinnvoll und wichtig!

Wir hätten uns ohne dieses Service vermutlich hilflos verfahren! Es geht lange an Zäunen und Absperrungen entlang, kreuz und quer über das verworrene Hafengebiet, vorbei an herumkurvenden Kränen und fremdartig wirkenden Hafenfahrzeugen sowie herumstehenden Mega-Truckern. Der Mann im gelb blinkenden Arbeitsauto ist daher Herr über zahlreiche Ampeln und Schranken, die er zeitgerecht für uns Motorradfahrer auf "Grün" klickt.

Zeitgerecht?! Die letzte Ampel vor der Fähre springt jetzt auf Grün und wir geben Gas. Genau gleichzeitig, als ein Monster-Kran mit acht Rädern, jedes einzelne höher als wir, ebenfalls in unsere Richtung beschleunigt. Was ist das für ein unheimliches Gefährt?! Das fahrende Hochhaus aus blauem Stahl prescht direkt auf uns zu! Anhalten oder beschleunigen?!

Didi kann nur mehr etwas Unverständliches zu Angelika brüllen, die instinktiv mit einem spontanen Stoppie ihre brave Transalp wenige Zentimeter vor dem Stahlmonster ebenfalls unsanft zum Anhalten zwingt. Wir lassen das Monsterfahrzeug lieber vorbei! Didi flucht unflätig zum viele Stockwerke höher sitzenden Fahrer, der uns vermutlich gar nicht bemerkt hat (und uns auch nicht verstehen würde). Wir müssen aus seiner Höhe wie Ameisen wirken!

Angelika spuckt den metallischen Geschmack von zu viel Adrenalin verächtlich auf den Boden. Weiter, weiter! Wir dürfen das Führungsfahrzeug nicht verlieren! Meine Güte, was war das denn?! Wozu ein hysterisch blinkendes Führungsfahrzeug, wenn der nicht guckt, ob die Strecke wirklich frei ist?

Wie schaut das denn aus? Tausende Kilometer durch Finnland ohne Malheur und auf den letzten Metern von einem Kran zermanscht. Wie stehen wir denn dann da?!

Doch der Servicemann hat von der nahenden Katastrophe gar nichts mitbekommen und deutet nun generös Richtung Auffahrt in den Schiffsbauch.

Verärgert und gleichzeitig erleichtert holpern wir hinauf in den enormen Laderaum.

Das Festzurren der beiden Hondas ist schon längst Routine und schon eilen wir zu Kabine 9010 und werfen unsere klobigen Motorradjacken hinein. Wir wollen das Ablegemanöver der "Finnstar" nicht verpassen! Gespannt sitzen wir auf unserem Lieblingsplatz beim Star Café am Freideck 11 und mampfen Scampi-Sandwiches, die wir mit dem ersten Bordbier hinunterspülen. Cool, dass wir als Mitglieder im Star-Club immer eine kleine Ermässigung erhalten!

Um 16:15 sollten wir ablegen, steht am Ticket! Sollten wir? Oder gilt an Bord noch finnische Zeit? Egal, wir werden schon sehen. Tatsächlich geht die Überfahrt dann um 17:45 los und wir haben keine Ahnung, nach welcher Zeitzone dies gerechnet wurde.

Wir haben nämlich etwas Stress! Wir müssen uns noch ins formidable Abendbuffet einbuchen, uns etwas Bequemeres anziehen und Massagetermine vereinbaren! Jetzt aber schnell! Das "Dinner Superior" wird um 18:30 freigegeben! Wir schaffen es tatsächlich pünktlich. Arbeitsteilung ist alles! Während Didi zwei schöne Plätze gebucht hat, hat Angelika fein säuberlich unsere Kabinennummer für 21:00 in die Liste am Massagesalon gekritzelt. (Und zur Sicherheit auch gleich für morgen!)

Um 37.- pro Person schaufeln wir im "Mare Balticum" die großartigsten Köstlichkeiten in uns hinein. Wir hatten wirklich oft Travellunch auf dieser Reise und das war auch ok. Aber das hier ist eine andere Kategorie! Wir wechseln zwischen Hauptgängen und Dessert und Angelika überlegt schon, eine Standleitung vom Preiselbeersaft zum Tisch zu verlegen. Wir müssen unbedingt schauen, ob wir den in Österreich auch bekommen!

Wir können uns so lange nicht von den ausladenden Tischen des Buffets trennen, dass wir fast unseren Massagetermin versäumt hätten! Wir haben Glück und kennen den netten Mann schon von der Anreise! Der Typ ist richtig gut in seinem Handwerk und nach so vielen Tagen am Motorrad haben wir immer etwas Rücken. Was für eine Wohltat!

Die sphärische Musik und das gedämpfte Licht während der Behandlung tun ihr Übriges und wir sind vollkommen geplättet, als wir uns mit einem leckeren Drink von der "Bar Navigare" (Star Club Rabatt!) wieder an Deck 11 treffen und auf die finnische Schärenlandschaft gucken.

Heute haben wir gar nicht viel unternommen und sind trotzdem rechtschaffen müde. Beenden wir den Abend, ok? Während das Schiff nun langsam Richtung Deutschland tuckert, fallen wir in tiefen und traumlosen Schlaf...

Tageskilometer: 5 km (und vermutlich nochmal so viele im Fährhafen)

21. Tag: Fähre -Travemünde

Ausschlafen bis 8:30 Uhr! Kein Termin! Das ist der Grund, warum wir in den letzten Jahren immer seltener B&B oder gar Hotels buchen. Wir mögen keine festgelegten Frühstückszeiten! So wälzen wir uns ohne Stress aus den bequemen Kabinenbetten und machen uns mit begrenzten Bordmitteln notdürftig ausgehfein.

Jetzt eilen wir wieder zu unserem Lieblingsplatz am Freideck 11. Der neben dem Star Café, wo es guten Kaffee und Frühstücks-Piroggi mit Eibutter und einen windgeschützten wunderbaren Meerblick gibt! Es wird schon Mittag (und ein paar Mehlspeisen später), als wir uns endlich aufraffen können, aufzustehen.

Angelika hat die Sauna entdeckt! Eine wunderschön dekorierte kleine Sauna mit Aussicht aufs Meer wartet kostenlos auf Besucher. Es ist zwar sonnig mit 18°C aber die kühle Brise lässt ein intensives Aufwärmen attraktiv erscheinen. Wenn man die Sauna sucht, folgt man am besten den Silberrücken, die ihr Gesundheitsbewusstsein unter anderem damit demonstrieren, indem sie nach dem Erhitzen halbnackt an der Reling lehnen und cool an einem Bier nippend auf den Horizont starren.

Was für ein Glück! Die Passagiere scheinen gerade alle beim Mittagessen zu sitzen und die Sauna ist unbesetzt! Klasse! Viel zu lange genießt Angelika nackig die Hitze und den Duft von heißem Holz und die schöne Atmosphäre, während durchs große Panoramafenster die Sonne herein scheint. Auf das Abkühlen am Freideck verzichtet sie lieber. Viel zu kalt draußen!

Freizeitstress! Mit von der Hitze gerötetem Gesicht eilt sie um 15:00 ein zweites Mal auf dieser Überfahrt zum Massagesalon, der in dem kleinen Spa gleich neben der Sauna liegt. Was für eine geniale Sache, sich die viel zu lange Zeit der Fährenfahrt zu vertreiben!

Als sie nach Eukalyptus-Öl duftend wieder ins Freie tritt, wartet Didi schon auf seine Rückenmassage. Er hat sich in der Zwischenzeit an Deck herumgetrieben und will anschließend in die Sauna. Die ist hier - wie übrigens allermeistens in Finnland - nach Geschlechtern getrennt, daher konnten wir nicht gemeinsam rein.

Später treffen wir uns wieder am Freideck und genießen bei Kaffee und Schokolade die Aussicht. Ein makellos blauer Himmel spannt sich über die Ostsee! Es gibt viel zu sehen, denn der Schiffsverkehr zwischen Finnland und dem Baltikum ist gut gebucht. Immer wieder kreuzt ein mächtiges Containerschiff unseren Weg.

Doch halt! Was ist das da oben? Kleine Flugzeuge zeichnen gut sichtbar symmetrische Kringel ins makellose Blau! Ein offenbar informierter Passagier erklärt, dass wir gerade an Kaliningrad vorbeischippern. Der Luftraum dieser russischen Enklave wird gut überwacht! Sitzen in den Abfangjägern Finnen, Polen, Litauer oder Russen? Wir wissen es nicht und ganz unvermutet ist der Krieg wieder präsent.

Infobox

Kaliningrad, das frühere Ostpreußen und seine Hauptstadt Königstadt ist ein von der Geschichte gepeinigtes Land. 1945 wurden dort alle Deutschen vertrieben, das Land zwischen Russland und Polen aufgeteilt. Die Russen beendeten brutal die deutsche Geschichte Ostpreußens. Die alte preußische Krönungsstadt Königsberg, in der der Philosoph Immanuel Kant gewirkt hat, hieß jetzt Kaliningrad und das Königsschloß wurde 1969 gesprengt. Die meisten Spuren des historischen Ostpreußens wurden getilgt.

Bis 1991 war die Zugehörigkeit Kaliningrads zur UDSSR zumindest politisch kein Problem, gehörten doch alle Länder rundherum ebenfalls zur Sowjetunion. Doch das änderte sich massiv, als Polen, Litauen und Belarus ihre Unabhängigkeit erklärten! Kaliningrad wurde plötzlich zur von westlichen Ländern umringten russischen Enklave.

Kaliningrad ergriff die geographische Chance und wurde zum "russischen Tor in den Westen". Man renovierte den alten Dom und errichtete ein Kant-Denkmal. Doch die Änderung russischer Politik ab 2014 machte diese Bemühungen zunichte und in neuerer Zeit gibt es sogar neue Probleme mit Weißrussland: Um den nur 65 Kilometer langen Landweg über Litauen nach Belarus verhärten sich immer mehr die Fronten, da Litauen EU-Sanktionen gegen Russland mitträgt...

Unsere entspannte Langweile wird nur mehr vom Anblick eines nicht enden wollenden Windparks am Horizont unterbrochen. Das könnte schon Dänemark sein! Die Dänen versorgen sich immerhin mit unglaublichen 50% aus Windenergie und besitzen auch den größten Offshore-Windpark der Welt! Unserer Karte zufolge sind wir schon in der Meeresenge südlich von Møn.

Ach, wir haben immer noch Zeit bis zur Ankunft. Da ist doch noch Zeit für einen kleinen Imbiss! Wir gönnen uns noch ein letztes Scampi-Sandwich, eines mit Lachs und ein knuspriges Korvapuusti, wie die Zimtkringel hier heißen.

Langsam packen wir unser Zeug zusammen und räumen die Kabine. Unsere Uhren am Smartphone haben sich bereits automatisch unserer Zeitzone angeglichen und schau! Da vorne ist schon Travemünde! Das markant-hässliche Hochhaus des Hotels Maritim ist nicht zu verfehlen!

Wir eilen jetzt zum Fahrzeugdeck und zücken die Fotoapparate. Zu schön ist die Einfahrt in den Hafen bei goldenem Sonnenuntergang! Ganz langsam schiebt sich die Fähre in die schmale Hafeneinfahrt. Unzählige Segeljachten schaukeln sanft auf ihren Plätzen und die Hotelanlagen zeugen von zahlungskräftigem Publikum.

Und was ist das für ein sensationelles Segelschiff?! Schaut historisch aus! Erst anlässlich unseres nächsten Besuchs von Travemünde in drei Monaten werden wir erfahren, was es mit der berühmten "Passat" auf sich hat...

Es ist Punkt 21:30, als die "Finnstar" ganz vorsichtig anlegt und nach dem üblichen Chaos im Laderaum tuckern wir schon in Richtung Campingplatz Ivendorf. Viele deutsche Motorradkollegen starten jetzt noch in Richtung Heimat, wir jedoch bleiben noch eine Nacht hier. Es ist fast finster geworden, als wir dort ankommen, wo wir vor 14 Tagen unsere Finnlandreise begonnen haben.

Die netten Menschen vom Campingplatz haben uns den Schlüssel hinterlegt, denn die Rezeption ist längst nicht mehr besetzt. Kein Problem, wir kennen uns hier schon aus! Die Hütte ist so einfach, dass wir gar nicht großartig auspacken. Wir brauchen nur unser Reisekissen und Schlafsack!

Die Seeluft hat uns müde gemacht, als wir mit unserem neuen Gaskocher "Nudeln Carbonara", das letzte Travellunch des Urlaubs kochen und nach dem Geschirrabwaschen schnell in den Schlafsack schlüpfen. Nicht ohne die gut gemeinten aber penetrant stinkenden Duftbäume aus der winzigen Hütte zu verbannen. Morgen geht die Reise endgültig zu Ende...

Tageskilometer: 4 km

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30 Stunden an Bord...

schiff

das habe ich sehr gerne gelesen! ich finde, ihr beiden habt die lange fahrt gut hinbekommen und zum glück war auch ganz ruhige see.
ich will mir nicht vorstellen, wie sich 30 stunden sturmfahrt anfühlen, insofern hätte ich kein gutes gefühl, wenn ich so eine überfahrt buchen würde. man weiß ja nie!
dlzg
der rider

Antw.:schiff

Danke für dein Kompliment! Ja bei Sturm hätten wir auch nicht gewusst, was tun. :-) Dafür sind 30 Stunden halt schon sehr lange...
LG Geli und Didi

lob

hallo! ich lese bei euch schon einige zeit lang mit und entdecke immer noch neues! dafür möchte ich euch mein kompliment aussprechen. selten so eine interessante reisewebsite gefunden!
herzliche grüße aus graz
michi

Antw.:lob

Vielen Dank und liebe Grüße nach Graz!
Geli und Didi

Danke

für den schönen Bericht! Da kann man sich richtig vorstellen, wie so eine Schifffahrt abläuft!
LG Tom

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zuletzt aktualisiert am 18.3.2024