6. Tag: Møn - Hamburg - Wien

Wir sind heute sehr früh aufgewacht und das sogar ohne Wecker! Vielleicht sind wir etwas nervös, denn heute wartet ein Tag mit vielen Unwägbarkeiten auf uns. Eigentlich ist es nicht weit bis Hamburg, in Kilometern gerechnet. Aber da liegen eine dänische Insel, eine Fähre, eine Fahrt durch unbekannte Gegend, einige Brücken (die schon mal bei Windstärke gesperrt werden) und ein Motorradhändler zwischen uns und dem Autozug am Abend.

Während wir unser weniges Zeug in die neuen Rucksäcke packen, schauen wir aus dem Fenster ins trübnasse Dänemark. Es hat die ganze Nacht geregnet und immer noch nieselt es leicht. Ganz Møn ist unter einer grauen nassen Decke verschwunden. Nun gut. Was solls! Wir trinken erst mal ein Häferl Kaffee aus unserem Vorrat und essen dazu ein Sandwich, das wir vorsorglich für diesen Morgen gekauft haben. Fürs schöne Frühstücksbuffet haben wir leider keine Zeit!

Um 8:00 rollen wir vom Hof. Vor wenigen Minuten hat es aufgehört zu regnen! Wir müssen nur die Motorradsitze ein wenig trockenwischen, um keinen nassen Po zu bekommen. Es ist bewölkt bei milden 17°C. Aufs Regenzeug verzichten wir. No risk, no fun!

Vorsichtig tuckern wir durch Stege. Die Fahrbahn ist noch nass und die Miethondas sind uns für Stunts am Kopfsteinpflaster nicht vertraut genug. Wir grüßen traurig zur geschlossenen "SPISESTEDET" hinüber, sagen leise "Tschüss" zu Slagter Stig und geben Gas. Wir haben den Weg über die B59 vereinbart, weil wir nicht gleich in der Früh viel Zeit liegen lassen wollen...

Gemütlich rollen wir über die hübsche "Königin Alexandrine Brücke", zu der manche ganz prosaisch einfach "Møn-Brücke" sagen. Die elegante Brücke wurde 1943 eröffnet und gilt als eine der schönsten in ganz Dänemark!

Infobox

Die Urenkelin des russischen Zaren Nikolaus des I. hieß Alexandrine und war dänische (und isländische!) Königin. Sie war die Großmutter der derzeitigen Regentin und ebenso beliebt wie diese! Ihre Mutter Anastasia und ihr homosexueller Vater führten eine überaus harmonische Ehe, was Ende des 19. Jhdt. keine Selbstverständlichkeit war. Dieses Glück war auch Alexandrine vergönnt! Sie starb nach langen Jahren glücklicher Ehe 1952 und wurde - so wie die meisten dänischen Herrscher - im Dom zu Roskilde bestattet.

Wir hängen unseren Gedanken nach, während wir zügig auf der Autobahn 80 km bis Rødby düsen. Links und rechts von uns nur weitläufiges, landwirtschaftliches Gebiet. Hier gibt es nichts Besonderes zu sehen. Das Wetter ist immer besser geworden und im Rødby-Hafen scheint sogar die Sonne! Es ist kurz vor 10:00, als wir uns beim kleinen Schalter Tickets lösen und in der linken Wartespur aufstellen.

Ach, so ein Mist! Man muss das Ticket 15 Minuten vor der Abfahrt kaufen und das haben wir um ein paar Augenblicke verpasst! Jetzt haben wir 45 Minuten Zeit, um uns zu sortieren und ein paar Kekse zu essen. Kurz bevor uns langweilig wird, geht es los. Wir tuckern die weit geschwungene Auffahrt zur Fähre der "Scandlines", binden die beiden Hondas mit dem einfachen Gurt im Schiffsbauch fest und eilen ans Oberdeck. Um 10:45 legt die "M/F Prins Richard" ab!

Einen Automatenkaffee und ein paar Fotos später sind wir in Deutschland. In schönster Ordnung verlassen wir das Schiff und düsen los.

Also wir wollten losdüsen doch schon wenige Kilometer nach Puttgarden stehen wir in einem beachtlichen Stau. Was ist denn da los? Vorsichtig aber entschlossen schnupfen wir ein Auto nach dem anderen und drängen uns erfolgreich vor. Dass wir diesmal keine Seitenkoffer haben und deswegen schmal gebaut sind, hilft uns enorm (und wird unser Reisen in der Zukunft verändern, aber davon später mehr!).

Nur über der Fehmarnsundbrücke müssen wir brav in der Reihe bleiben. Die Brückenbaustelle verengt die Spur, hier ist kein Durchkommen! Zumindest ist die Brücke nicht gesperrt. Das ist eine ewige Angst von uns, dass wir am Heimweg auf der Insel Fehmarn festsitzen, weil uns der Sturm die Weiterfahrt verbietet!

Zentimeterweise schieben wir uns über den "Kleiderbügel". Drüben am schleswig-holsteinischen Festland haben wir die Erklärung. Nicht nur die Brückenbaustelle, nein auch erhebliche Straßenbauarbeiten verhindern ein flüssiges Weiterkommen. Wir sind angespannt aber wie mag es den Menschen gehen, die mit ihren Autos unsere Fähre verlassen haben? Die stehen sicher noch drüben in Fehmarn?

Nach 25 km hat sich das Chaos endlich aufgelöst und wir halten an einem schönen Aussichtsparkplatz an der A1. Wir schütteln die steifgewordenen Beine aus und schauen hinüber nach Heiligenhafen. Wir schwitzen in unsere Motorradsachen, denn es ist mit schwülen 22°C ziemlich warm geworden.

Wir wollen mal ein gutes Stück weiterkommen und bleiben auf der A1. Das Wetter ist perfekt und wir genießen die gemütliche Fahrt Richtung Süden. Sentimental lesen wir die Schilder nach Scharbeutz, Timmendorf, Travemünde und Lübeck. So schöne Erinnerungen! Aber es tröstet uns, dass wir sehr bald wieder hier sein werden...

Nach 80 km ist uns die Autobahn langweilig geworden und wir deuten uns das gut geübte Handzeichen für "Nächste Abfahrt ´raus!". Reinfeld heißt das kleine Dorf, in dem wir auf die B75 kurven. Wir brauchen dringend mal eine Pause! Vielleicht finden wir in Bad Oldesloe ein kleines Café?

Doch was für eine Enttäuschung. Die Stadt schaut hübsch aus, aber wir können nicht reinfahren! Die Innenstadt scheint eine Fußgängerzone zu sein und einen Parkplatz zu suchen, ist uns jetzt zu blöd. Fahren wir weiter? Vielleicht gibt es unterwegs eine einfachere (!) und schnellere (!) Kaffeegelegenheit?

Die kleine Straße schlängelt sich über Weiden, Wiesen und durch kleine Wäldchen. Wir sind froh, diesen Weg gewählt zu haben! Er ist abwechslungsreich und bietet uns eine schöne Abschlussfahrt! Gerade als wir gedankenverloren weiter cruisen, wirft Angelika Anker und lenkt auf einen großen Parkplatz an der rechten Straßenseite. Was ist denn da?

Ein großes und landwirtschaftlich gestyltes Gebäude erstreckt sich am Straßenrand, in der Ecke ein kleiner Streichelzoo. Der weitläufige Hofladen "Obsthof Lienau" ist dekoriert mit allerlei bäuerlicher Deko für Haus und Garten. Wir klettern von den Hondas. Hier gibts sicher eine Jause!

Als wir eintreten, werden wir von den zahlreichen Damen, die hier ihre Einkäufe erledigen, neugierig beäugt. Wir schauen uns um. Hier gibts allerfeinste Spezialitäten lokaler Erzeuger in rustikalem Ambiente. Man kennt sich  und die Kassadamen nehmen sich bei jeder einzelne Kundin Zeit für eine Plauderei oder eine kleine Beratung.

Es dauert ein wenig und es scheint keine leichte Übung zu sein, der Maschine zwei Becher Kaffee zu entlocken. Ja bitte, diese zwei Stück Schokokuchen dazu! Einige Zeit später hocken wir am schweren Holztisch vor dem Laden, der sich für eine gemütliche Rast anbietet.

Um 14:00 brechen wir auf. Wir haben nur mehr eine Aufgabe: Honda Harke verlangt die Motorräder bei der Rückgabe mit randvollem Tank! In Bargteheide finden wir endlich eine Tankstelle. Als wir uns wieder vom Acker machen, brüllt die fröhliche Kassadame einen Abschiedsgruß durch ihre Lautsprecheranlage. Das ist schon ein lustiges Völkchen hier im Norden, auch wenn wir ihre Sprache kaum verstehen!

Wir haben uns den Weg zum Hondahändler genauestens eingeprägt und fahren nun auf gut Glück! Unsere Erleichtung könnte nicht größer sein, als wir die Abfahrt "35/Hamburg Südost", die A25 und dort die Abfahrt "4/Reinbek" wiedererkennen. Didi hat einen ausgeprägten Orientierungssinn und kurvt durch Hamburg-Bergedorf, als würde er sich auskennen. Und noch bevor Angelika Zweifel anmelden kann, halten wir genau vor der Einfahrt von Honda Harke. Alle Achtung! Es ist genau 15:30 Uhr.

Wir räumen den kleinen Kofferraum von Didis NC750 aus, als Herr Fiete schon herbei eilt und uns freudig begrüßt. Ja, alles hat super geklappt! Ja, die beiden Maschinen waren klasse! Ja, wir hatten viel Spaß! Die Rückgabe nach knapp 900 km ist problemlos. Nun, wir haben auf die beiden Seitensprünge auch besonders aufgepasst und keine Blödheiten riskiert!

Ein letztes "Tschüss, Leute!" und schon sitzen wir in einem Taxi, das uns direkt zum Autozugbahnhof Hamburg-Altona bringt. Der Hauptbahnhof wäre näher, aber wir wollen doch unser traditionelles Abschlussessen bei Köz Urfa! Ehrgeizige 55.- später haben wir den dichten Werktagsverkehr in Hamburg geschafft und hocken gemütlich in den weiten Korbsesseln unseres Lieblingstürken.

Das fette Abendessen war köstlich! Wir haben noch Zeit für ein Abschlussbier und dafür stiefeln wir zwei Ecken weiter. Irgendwann haben wir dort eine urige und rustikal-herzhafte kleine Bar entdeckt, in der man auch Rauchern einen gemütlichen Platz bietet. Als wir eintreten, erkennt uns die herzliche Bardame und wir sind nicht sicher, ob das ein ausschließlich gutes Zeichen ist! Wir haben in kalten Winternächten hier schon einige Zeit verbracht...

Es ist 19:30 Uhr, als wir unsere Rucksäcke und Helme aus dem Schließfach am Bahnhof zerren, wo wir sie zwischengelagert hatten, und in voller Motorradausrüstung aber mit leichtem Gepäck in den (ehemaligen, denn er fährt mit Fahrzeugen nicht mehr nach Wien!) Autozug klettern. Für uns eine ziemlich ungewohnte Situation.

Um pünklich 20:11 Uhr verlässt der Zug die Hansestadt, wir werden in genau 13 Stunden zuhause sein. Wir sitzen noch lange aufrecht auf unseren Betten und lassen die vergangenen Tage Revue passieren. Das war toll! Das machen wir wieder einmal! So ein Mikroabenteuer zwischendurch - und ganz speziell in Dänemark - ist wirklich gut für die Seele!

Tageskilometer: 264 km

Von Møn nach Wien

Schön!

Das war schön und inspirierend zu lesen. Man sollte ja viel öfter solche Kurzreisen machen. Manchmal ist es doch nur die Bequemlichkeit, warum man zuhause bleibt.
LG Micha

Mitgefiebert...

Meine Güte, da hab ich richtig mitgefiebert. Das ist so eine Anspannung, wenn es um Fähren, gesperrte Brücken und Autozüge geht, die alle nicht warten. Außer der Brücke, natürlich.
Kötz Urfa. Ein schöner Abschluss. Und ich hoffe inständig, dass es den Autozug HH-Wien-HH bald wieder geben wird.
Einen lieben Gruß
Svenja

Antw.:Mitgefiebert...

Danke fürs Lesen!
Ja da kann man schon nervös werden, auch wenn es eigentlich nicht viele Kilometer sind. :-)))
Geli

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zuletzt aktualisiert am 17.4.2024