Was nun folgt, ist schon Tradition! Der Handywecker schrillt um 7:00 und wir gucken müde aus dem Fenster: Hannover! Es ist Samstag und wir wundern uns, wie viele Menschen zu dieser nachtschlafenen Zeit bereits am Bahnsteig warten. Wir haben im Liegeabteil nicht gut geschlafen und sind ziemlich gerädert.
Es schaut draußen nach Schlechtwetter aus! Aber da klopft schon der nette Zugbegleiter und bringt in bester Laune ein kleines Frühstück, das beim "Privatabteil" im Preis inbegriffen ist. Wir schlürfen gerade die zweite Tasse Kaffee, als draußen die vielen Hamburger Stationen vorbeiziehen. Die Elb-Philharmonie ist im Niesel kaum zu sehen und Angelika drückt sich die Nase an der kalten Fensterscheibe platt, um etwas vom schmucken Hauptbahnhof zu erkennen.
Um Punkt 9:05 rollen wir fahrplangemäß in Hamburg-Altona ein. Der Zug hat die ganze Verspätung aufgeholt! Wir warten übernächtig am Bahnsteig auf den Waggon mit den Motorrädern und uns ist kalt. 14°C sind fast 20°C weniger als gestern! Hier läuft alles wie am Schnürchen und es dauert nicht lange, da hüpfen wir mit den Transalps von der Rampe und rollen durchs Einkaufszentrum ins Freie. Dass so etwas heutzutage noch erlaubt ist? Aber wir mögen das! Es hat etwas Anachronistisches, zwischen den Einkaufswagerl herum zu kurven.
Wir halten vor Köz Urfa, dem bekannten türkischen Lokal neben dem Bahnhof. Didi springt wütend von seinem Motorrad und deutet auf seinen Gasgriff. Es dauert einen Moment, bis Angelika checkt, was passiert ist. Hat einer der unfähigen Innsbrucker Verladearbeiter den Griffgummi heruntergerissen! Ja darf denn das wahr sein?! Mit wütender Kraft quetscht Didi den Gummi wieder auf den Lenker. Hoffentlich hat die Heizfunktion nicht gelitten! Das Ding geht jetzt schwergängig und rutscht nicht mehr in die Ausgangsposition zurück. Sollen wir schnell in eine Werkstatt? Aber nein! Didi ist überzeugt, es geht auch so.
Weil es mittlerweile beständig nieselt, verzichten wir auf einen Ankunftskaffee bei Köz Urfa. Schade! Das gehört doch zum Reisebeginn dazu! Aber die Tische im Freien sind alle festgekettet und nicht für Gäste bereit. Na gut, dann beim nächsten Mal!
Es ist 10:00 als wir Hamburg über die Max-Brauer-Allee und die B4 "Kieler Straße" verlassen - der einzige vertraute Weg, den wir kennen. Wir müssen noch tanken und halten vor der A7-Autobahnauffahrt "HH-Stellingen" bei einem Diskonter. Wir ernten mitleidige Blicke und Glückwünsche, da es mittlerweile heftig regnet. Meine Güte, muss das sein? Was für ein mistiger Start in den Urlaub!
Die ersten 50 Kilometer erledigen wir in einem Rutsch und ohne nach links oder rechts zu schauen. Wind stürmt quer übers flache Schleswig-Holstein und immer wieder regnet es. Eine unangenehme Fahrt und wir sind froh, als unsere traditionelle erste Pause ins Blickfeld rückt: Brokenlande! Wir werfen Anker und schieben die Transalps ins Trockene. Angelika hat Hunger und holt sich ein leckeres Schnitzelsemmerl mit ausreichend Mayo. Außerdem brauchen wir heißen Kaffee zum Aufwärmen. Sommer war gestern!
Um 12:30 rollen wir auf den Parkplatz unseres Lieblingshotels in Kiel. Irgendwann hat es dann doch aufgehört zu regnen. Noch bevor wir das hübsch vorbereitete Zimmer aufsuchen, werden wir vor dem Haus auf ein kaltes Bier eingeladen. Oder zwei! Wir haben das netteste Gespräch mit dem Anrainer, der gerade sein Partyzeug ins Auto stopft. Was für eine Ankunft in Kiel!
Bis zum ersten Höhepunkt der Reise haben wir noch etwas Zeit! Wir machen uns mit Bordmitteln stadtfein und stiefeln in die Fußgängerzone. Unser Würstl-Mann steht wieder da! Ohne Verzögerung kaufen wir zwei dicke Thüringer Bratwürste. Die gibt es bei uns nicht und wir finden die so flaumig und lecker! Mit Svenjas Mahnung im Ohr "Esst nicht zuviel!" belassen wir es dabei und besorgen im Einkaufszentrum noch ein paar Kleinigkeiten für die Reise.
Der schaumige Milchkaffee und die kleine Süßigkeit des jungen Familienbetriebs waren lecker, aber wir haben trotz der kuscheligen Decken im Gastgarten ziemlich gefroren! Es ist trüb und windig in Schleswig-Holsteins Hauptstadt, als wir am Wasser des "Kleinen Kiels" vorbei eilen. Wir beschleunigen jetzt unsere Schritte, weil uns kalter Wind ins Gesicht pfeift. Und weil wir Svenja und Claudia schon seit einigen Monaten nicht gesehen haben!
Was für ein Wiedersehen! Seit der Corona-Pandemie hängt doch über jeder Reise das Damoklesschwert des Reiseverbots und umso fester umarmen wir uns jetzt. Es ist zu kalt für eine Balkon-Party, aber der Tisch in der hübschen Wohnung biegt sich vor fremdländischen Köstlichkeiten, die wir jetzt furchtlos in uns hineinschaufeln. Es ist ein grandioser Abend, innig, vertraut, berührend und lebenslustig! Wir feiern bis spät in die Nacht unsere Freundschaft und die Tatsache, dass wir alle gesund sind und wieder auf Tour gehen können!
Ja, heuer fühlt sich das Reisen fast "normal" an"! Und während wir die Finnen besuchen, wird Svenja nach vielen Jahren wieder einmal Norwegen unsicher machen...
Tageskilometer: 90 km
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