Oh, wir finden es bei Lex und Caroliene so klasse! Das niederländische Bikerpärchen hat uns ein großartiges Frühstück aufgebaut, es gibt von deftig bis süß alles, was wir uns wünschen. (Und was sich auch der pelzige, vierfüßige Security wünscht, wie uns dieser mit treuherzigen Augen überdeutlich wissen lässt.) Wir haben keine Eile, eigentlich würden wir gerne noch bleiben!
Draußen hat es 18°C und die Morgensonne kommt soeben über die Berge. Es hat diese gewisse kühle Frische, die es in den Bergen frühmorgens hat und die einen schönen Tag ankündigt. Nach einem ausgiebigen Benzingespräch mit Lex sind wir abfahrtsbereit. Es ist schon 10.30 Uhr! Deshalb lassen wir den "Col de Fouchy" aus, den Lex uns empfohlen hat und fahren gleich in die geplante Richtung. Wir kommen sicher wieder einmal hierher!
Nach ein paar Minuten Kurvenspaß durch den Wald wechseln wir auf einem kleinen Kreisverkehr auf die N159, die schnurgerade zum Tunnel "Maurice-Lemaire" führt. Wir sind die einzigen hier und rollen direkt zum futuristisch aussehenden Automaten, der gut Englisch spricht und überraschend einfach zu bedienen ist. Mit unseren Debitcards zahlen wir 6.- pro Motorrad und der Schranken springt in die Höhe.
Knapp 7 km bollern wir nun unter dem Berg auf die andere Seite. Der längste Straßentunnel Frankreichs, wie ein Schild stolz verkündet! (Norwegen lacht sich an dieser Stelle halbtot, denn so kurze Tunnels werden oft nicht einmal angeschrieben...) Nur kurze Zeit später spuckt uns der Tunnel in der Sonne aus. Puuhh, es war kalt unter dem Berg!
In Saint-Marie "in den Minen" herrscht geschäftiges Treiben! In dem hübschen elsässischen Städtchen "aux Mines" ist heute Samstag vormittags gerade Wochenmarkt und Menschenmassen wälzen sich durch die engen Gassen und über die kleinen Plätze. Auf den ersten Blick könnte man meinen, in einem österreichischen Alpendorf gelandet zu sein, die entzückenden Häuschen schauen so aus wie bei uns!
Wir sind hier im "Tal des Silbers" unterwegs und Saint-Marie wirbt mit Mineralien-, Edelstein- und Kunstausstellungen. Wir jedoch haben für das alles gerade keinen Nerv. Wir können unseren Weg nicht finden! Zuviele Verkaufsstände versperren jede Kreuzung und wir kurven orientierungslos in der Stadtmitte herum. Nur zufällig finden wir irgendwann den Wegweiser zur "Route des Crêtes", zur D48.
Während wir die kurvige Straße entlang cruisen und aus den Augenwinkeln eine Silbermine in Tellure wahrnehmen, rufen wir uns die Erzählungen über die berühmte "Vogesenkammstraße" in Erinnerung. Kaum ein (vor allem deutscher) Reisebericht kommt ohne Schilderung der fulminanten Fahrt über diese grandiose Bergstraße aus. Angeblich eine legendäre Strecke! Abertausende Motorradfahrer kommen jährlich hierher. Kaum ein Superlativ, den die "Route des Crêtes" noch nicht abgestaubt hat! Nun, wir werden sehen. Für Bergstraßen sind wir zu haben, das ist unsere Hood!
Bei der ersten scharfen Linkskehre machen wir eine kurze Pause. Es ist schön hier, bergig, dichter Wald und sehr wenig Verkehr! Von da drüben beobachten uns gelangweilt ein paar schwarzweiß gefleckte Kühe. Wir trinken einen Schluck Kaffee, den wir in unserem Thermobecher mitgenommen haben und schalten die Kameras ein, die Didi an der Schulter und Angelika im Brustgeschirr trägt. Wir sind neugierig auf die sagenumwobene Strecke, also los!
In geschwungenen Kurven geht es gemächlich bergauf. Wir wedeln zügig zwischen den hohen Nadelbäumen dahin. Wir hatten Sorge, dass wir uns in dem Straßenwirrwarr hier nicht zurechtfinden werden und uns deshalb eine detaillierte Karte besorgt. Aber tatsächlich ist an jeder Ecke und an jeder Kreuzung ein Pfeil, wo die "Route des Crêtes" weiterführt.
Das Motorradaufkommen ist erheblich gestiegen, als wir über den "Col des Bagenelles" cruisen und ein paar gemütliche Kurven später am "Col du Bonhomme" anhalten. Polizeikontrolle! Doch die Uniformierten interessieren sich nicht für zwei bunte Transalps, sie nehmen ein paar Rennsemmeln in näheren Augenschein. Wir sind uns sowieso keiner Schuld bewusst und tuckern in äußerst seriösem Tempo vorbei.
Ab und zu gibt es eine hübsche Aussicht in den Elsass und in die Ferne. Hier ein wenig Gas zu geben, macht Spaß! Das diskutieren wir, als wir auf einem kleinen Parkplatz kurz halten und weit unter uns einen hübschen See fotografieren. Für eine Pause gefällt es uns hier nicht. Alle Bänke sind von Großfamilien bezogen, die hier ein gemeinschaftliches Grillfest veranstalten.
Wir fahren lieber weiter. Die ehemalige militärische Versorgungsstraße von 1915 ist perfekt ausgebaut und zieht meist in langgezogenen Kurven flach dahin. Eine Kammstraße eben! Im ambitionierten Tempo kurven wir die unterhaltsame Strecke weiter, denn wir wollen irgendwo einen Kaffee bekommen. Wir sind längst über der Baumgrenze und auf den kahlen Hügeln weiden zahlreiche Kühe unbeeindruckt vom Verkehr.
Ein Blick in die Karte macht Hoffnung auf ein Café, doch die Parkplätze am "Col de la Schlucht" und "Hohneck" sind an diesem Samstag heillos überfüllt. Soviele Motorräder sahen wir die letzten drei Wochen insgesamt nicht! Der Trubel hier geht uns gewaltig auf die Nerven. Außerdem sind die Rasthäuser hier ohne jeden Charme. Missmutig ziehen wir auf der Hochebene weiter unsere Bahnen und nehmen den ein oder anderen Aussichtspunkt wahr. Jetzt ziehen die Wolken langsam zu und es beginnt ganz fein zu nieseln.
Endlich finden wir einen freien Parkplatz! Am "Le Markstein" eröffnet sich ein großer Schotterplatz und ein kleiner Imbissstand. Der Außenposten vom wuchtigen Hotel Wolf gegenüber ist perfekt für uns! Nur einen Augenblick später poltern wir über die Holzplanken auf die Aussichtsterrasse. Wir finden einen guten Platz an der Reling und schon breitet Angelika Hotdogs und Kaffee auf dem kleinen Tisch aus. Bei milden 22°C bleiben wir trotz Niesel im Freien sitzen!
Es ist 13.30 Uhr und wir mampfen hungrig ein paar Hotdogs und legen einen leckeren Kuchen und Kaffee obenauf. Nun lesen wir ein wenig über die berühmte Vogesenkammstraße. Wir befinden uns hier auf knapp über 1.000m Seehöhe und wahrscheinlich ist das der Grund, warum uns diese Bergstraße so wenig alpin und kaum spektakulär vorkommt. Solche Strecken haben wir zuhause vor der Haustüre.
Wir lesen von einer der beliebtesten Bergstrecken Frankreichs! Nun ja. Da hat der Schreiberling vielleicht den "Col de la Bonette" vergessen? Die richtigen Bergstrecken sind in den Hautes Alpes zu finden! Nun, macht nichts! Wir finden es schön hier, als wir die letzten Krümel von Teller picken und später langsam weiterbollern.
Zum Glück hat der Niesel aufgehört und so haben wir auch klare Sicht auf den "Grand Ballon", wie der höchste Berg hier heißt. Er hat knapp 1.450m und sein Gipfel lässt sich gut erwandern. Uns erinnert die geschwungene Straße an baumlosen abgerundeten Hügeln ein wenig an die Nockalmstraße zu Hause. Die ist bloß steiler und kurvenreicher.
Der "Grand Ballon" bleibt unauffällig und schon geht es gemächlich bergab. Vorbei am Kriegerdenkmal "Hartmannswillerkopf 1915" cruisen wir zügig ins Tal. Mit zahlreichen langen Geraden und gut ausgebauten Kehren endet für uns die "Route des Crêtes". Um Punkt 15.00 Uhr halten wir auf einem großen Busparkplatz in Uffholtz. Wir nehmen unsere Kameras ab. Hoffentlich erkennt man auf dem Filmchen etwas! (>> Clip)
Das war lustig, auch wenn wir uns von der berühmten Kammstraße mehr erwartet haben. Wir werden unsere Worte im Reisebericht vorsichtig wählen müssen...weil sonst gibts Haue von den ganzen Vogesen-Fans! Aber das war noch nicht alles. Welcher Ärger uns jetzt erwartet, könnt ihr bei der Unterkunftsbeschreibung nachlesen... >> klick
Wir haben eine ganze Stunde Urlaub vergeudet, als wir endlich weiterfahren. Unsere Stimmung ist angespannt, als wir die D83 nordwärts nehmen. Hält unsere Buchung? Wir haben es eilig und ziehen dementsprechend am Gasgriff! Für die völlig flachen Geraden von 40km brauchen wir nicht einmal 20 Minuten und schon kurven wir hektisch durch den Stadtverkehr von Colmar, auf der Suche nach unserer Unterkunft. Dass uns die Vermieterin dann eine geschlagene Stunde warten lässt, ist nur eine weitere Pointe dieses unerfreulichen Erlebnisses.
Um 17.30 Uhr haben wir endlich unsere kleine Wohnung und können ´raus aus den Motorradsachen. Die Motorräder konnten wir in eine kostenpflichtige Tiefgarage stellen. Wieder einmal musste Didi mit seiner bedächtig ruhigen Art die Situation retten, während in Angelika unverhohlener Zorn kochte. Die kalte Dusche, unter die wir jetzt springen, dient in jeder Hinsicht zur Abkühlung...
Wir müssen ein wenig ´runterkommen und deshalb rühren wir erstmal das letzte Travellunch dieser Reise an. Während wir das leckere Zeug löffeln, lassen wir den Ärger verrauchen. Zahlt sich doch nicht aus! Wir sind doch im Urlaub!
Als die Dämmerung hereinbricht, machen wir uns in Bequemkleidung auf den Weg. Wir wohnen mitten in der Fußgängerzone von Colmar, nur 50 m von der Lokalmeile entfernt! Lokalmeile? Ganz Colmar ist eine nächtliche Lokalmeile!
Ein Restaurant schließt an das nächste an, die ganze Innenstadt ist mit Sesseln und Tischen vollgestellt, um die sich Menschenmassen drängen. Dazu eine irrwitzig-bunte Beleuchtung in psychedelischen Farben, die sich in den kleinen Kanälen spiegelt.
Es ist wunderschön hier! Wir wussten vorher nichts über Colmar und wir haben diese lebendige, junge und farbenfrohe, uralte Stadt völlig unterschätzt! Staunend spazieren ein wenig herum, bis wir endlich einen freien Sitzplatz im Gastgarten eines repräsentativen Cafés neben dem beeindruckenden gotischen Martinsmünster finden. Das war gar nicht so leicht, denn Samstag abends ist hier die Hölle los!
Bei einer großen Portion vom fremdartigen und sogar für unsere Verhältnisse unfassbar süßen Schoko-Soufflee und einigen Kaffees lassen wir den Tag ausklingen. Morgen bleiben die Motorräder stehen. Gute Nacht, Elsass!
Tageskilometer: 150 km
Morgen bleiben wir in Colmar: >>klick