22. Tag: Kiel - Hamburg (Autoreisezug)
Es muss eine ruhige Überfahrt über den Kattegat gewesen sein, denn wir haben tief und fest geschlafen. Wir packen unser Zeug ein und eilen an Deck. Angelika verstaut sorgfältig ihr "Sea-Band", das einen tiefroten Druckpunkt am Handgelenk hinterlassen hat. Hat - so scheint´s - gewirkt!
Als wir am Sonnendeck ankommen, schiebt sich die Stena Germanica gerade am Fischrestaurant Gosch vorbei. Es ist genau drei Wochen her, als wir hier mit Svenja und Claudia große Fuhren Backfisch vertilgten! Svenja zeigt gerade Pieps das Revier des Kollegen Bruno und wird noch einige Tage länger mit Hopser unterwegs sein.
Es ist Punkt 9:15, als das riesige Schiff in Kiel anlegt. Für uns immer wieder bestaunenswert, wie sich so ein Riesenpott zentimeterweise der Kaimauer nähert und dann ganz sanft einfach stehenbleibt. Man spürt nicht einmal einen Ruck durchs Schiff gehen!
Es ist Mittwoch, der 12. Juni und in Kiel nieselt es aus dichtem Nebel bei 18°C. Norddeutsches Sommerwetter! Wir sind froh, denn wir fürchteten schon sommerliche Temperaturen nach dieser Winterreise durch Norwegen! Die Umstellung ist immer schwierig.
Um 9:30 verlassen wir die Fähre und fahren ins Freie. Drei ziemlich desorientierte französische HD-Fahrer bringen ordenlich Unruhe in die Sache und stehen dauernd im Weg, während wir am Anleger unser Zeug ordnen.
Selbstbewusst steuern wir die Transalps durch den dichten Verkehr Kiels Richtung Autobahn. Unsere stolze Selbstsicherheit wirkt so überzeugend, dass uns einige Biker folgen. Hier waren wir schon oft, hier kennen wir uns aus!
Hochmut kommt vor dem Umleitungsschild. Nur wenige Häuserblocks später haben wir keine Ahnung mehr, wo wir sind. Die Franzosen folgen uns mit lautem Geboller, bis dem einen seine dezibelstarke Reibn bei einer roten Ampel eingeht und seine Kumpels das Gefährt zur Seite schieben müssen.
Erst, als wir bei IKEA vorbeifahren, sind wir sicher, in die richtige Richtung zu fahren! Es nieselt jetzt stärker, als wir auf der B215 Kiel verlassen. Wir geben Gas, denn wir hatten noch kein Frühstück und vor allem keinen Kaffee! Nach etwa 30 km kennen wir eine Raststation und dort wollen wir hin!
Kurz später werfen wir bei der Raststation Aalbek Anker. Bei zwei großen Bechern Kaffee besprechen wir die Lage. Wie können wir die mörderische Baustelle bei Hamburg-Stellingen umfahren, die uns seit zwei Jahren ärgert? Wie finden wir dort sicher auf die B4 "Kieler Straße", die unser bester und umkompliziertester Weg nach Hamburg-Altona ist? (Eigentlich der einzige, den wir kennen...)
Wir haben einen guten Plan gefasst und es geht weiter! Die nächsten 45 km sind voller Jugenderinnerungen! Wir lesen die Abzweigung nach Hartenholm und grinsen in unsere Helme: Dort ist der Dreh- und Angelpunkt der Wernersens, die wir sicher mal bei einem ihrer legendären Rennen besuchen werden. Und dann ist da noch Kellinghusen, Tatort von Svenjas Jugenderinnerungen an das Verschroten so mancher Einzylinder.
Schon sind wir in Quickborn und verlassen die A7. Hier wechseln wir auf die B4, die uns direkt nach Altona bringt Trotz dichten Verkehrs fahren wir problemlos bis zum Bahnhof und parken um Punkt 12:45 in der Wartespur des Autoreisezugs. Gottseidank hat es zu nieseln aufgehört! Es ist unangenehm feuchtwarm in der Hansestadt, die wir ohne Regen kaum kennen...
Wir lassen die Helme an den Motorrädern und starten los. Wir nehmen am Bahnhof ein Taxi. Der nette Typ bringt uns um 9,10 € direkt zum Fischmarkt, unserem ersten Ziel! Von Hamburg kennen wir seit drei Jahren nur den Bahnhof Altona (und was man so aus Film und Fernsehen kennt) und das soll sich heute ändern. Zumindest ein oberflächlicher Eindruck sollte sich ausgehen!
Wir haben so Hunger, dass wir an dem verführerischen Duft des ersten Fischrestaurant nicht vorbeikönnen. Da ist ein hübscher Tisch vor "Goedekens Kombüse"! Wir studieren die mit Kreide an die Mauer gemalte Karte und entscheiden uns für die "Kleine Hafenrundfahrt". Meine Güte, schmeckt dieser Backfisch lecker! Er kommt mit einem großen Schöpfer Kartoffelsalat und Remouladensauce, beides aus der Zeit, als Fett einfach nur "lecker Essen" bedeutete... Großartig!
Nach dieser Stärkung stiefeln wir los. Googlemaps zeigt uns den Weg und wir schwitzen in unsere Merino-Wäsche. 22°C dunstige Wärme! Wir kommen an sensationellen historischen Backsteinbauten vorbei, sehen die Fischauktionshalle von Altona und schnuppern bei einem Stehkaffee das Flair dieser legendären Hafenstadt.
Wir latschen nun Luftlinie zur Reeperbahn und St. Pauli. Mal sehen, was dort los ist! Nachdem wir in Liverpool schon im Cavern Club Bier tranken, wollen wir auch sehen, wo die internationale Karriere der Beatles ihren Anfang nahm. Als wir am Beatles-Platz ankommen, regnet es. Wir lassen uns jetzt davon nicht beeindrucken und stiefeln in die kleine Gasse namens "Große Freiheit".
Die große Freiheit ist ziemlich eingeschränkt. Hier ist so ziemlich alles verboten, was für einen traditionell lustigen Abend sorgt! Schuss- und Stichwaffen, Werkzeug, Glasflaschen und sogar Sprühdosen darf man hier nicht mitnehmen. Mimt dieses gelbe Warnschild einen Hauch Gefährlichkeit für Touristen? Oder ist das wirklich so berüchtigt hier am Kiez?
Wir schauen uns um. Die Lokale sind geschlossen und aus kleinen Transportern wird kistenweise Bier ausgeladen.
Nun ja, vielleicht gewinnt die Gegend, wenn nächtens buntes Blinken und viel Rotlicht die Szenerie behübschen?
Jetzt im trüben Tageslicht schaut das so verrunzelt und schraddelig aus, wie halt Rotlichtbezirke bei Tag aussehen. Trotzdem interessant, die ganzen berühmten Namen hier zu lesen, die wir sonst nur aus dem TV kennen, die hier ihre Lokale eröffnet haben!
In Hamburg gäbe es soviel zu sehen! Wir beschließen, bald mal wiederzukommen und dann das volle Programm zu genießen, inkl. Hafenrundfahrt, Elbphilharmonie und natürlich St. Pauli bei Nacht!
Es regnet heftig, als uns ein Taxi zurück zum Altonaer Bahnhof bringt. Es ist 16:00, wir haben noch Zeit, die wir uns bei Köz Urfa mit Süßkram, Kaffee und Getränken vertreiben. Wir sind ein wenig eingenickt und plötzlich geht alles ganz schnell. Es hat zu regnen aufgehört, als wir mit den Motorrädern in den - wie immer - unfassbar niedrigen Waggon einfahren.
Angelika streitet noch mit dem Verladearbeiter, ob ihre nass-dreckige "Touratech made by Ortlieb" - Packrolle am Motorrad bleiben darf. Nein, sie darf trotz Rok-Straps nicht und jede Diskussion ist sinnlos! Missmutig nimmt sie die "Wiener Verladeordnung" zur Kenntnis, die der korrekte deutsche Verladearbeiter ausführlich rezitiert. Wenn der wüsste, wie wurscht diese Verladeordnung seinen Wiener Kollegen war!
Wir beziehen schnell unser Abteil, nicht ohne mit der nassen Packrolle alles ausgiebig schmutzig zu machen. Dann vertreiben wir uns die Zeit am Bahnsteig.
Wir sind gedrückter Stimmung, wie immer am Ende so einer Abenteuerreise. Der Zug fährt pünktlich um 20:15 ab. Wir sind in Gedanken an die Erlebnisse dieser Reise versunken und gehen recht bald schlafen. Morgen sind wir zuhause!
Tageskilometer: 95 km
Hier gehts zur Ankunft in Wien und zum Fazit: >>klick
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Am letzten Reisetag gibts Fischmarkt und Kiez!
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