13. Tag: Jerup (Jokertag)

Puuuhhhhh! Draussen ist es stürmisch und finster! Noch schlaftrunken stolpern wir am späten Vormittag auf unsere kleine Terrasse und prüfen die Temperatur. Knapp 20°C und es schaut nach Regen aus. Was für ein Unterschied zu den letzten hochsommerlichen Tagen! Aber irgendwie stört uns das heute nicht. Wir wollen einen Tag faulenzen und die Motorräder stehen lassen.

Irgendwie ist das etwas Besonderes heute. Wir sind es "unterwegs" nicht gewohnt, einfach mal zu bleiben und nicht weiterzufahren. Wir haben nicht einmal einen Plan, was wir unternehmen könnten! Aber an Langeweile ist nichts Schlechtes und diverse gesundheitliche Schwierigkeiten lassen die Pause-Taste im Urlaub als eine gute Idee erscheinen. Angelikas Wunsch, nackig in der Ostsee zu schwimmen, ist auch noch unerfüllt! Aber ob das bei diesem Wetter heute Spaß macht?

Wir räumen alles an Vorräten auf unseren schweren Holztisch und frühstücken erstmal mit ausreichend Kaffee. Ach, wir haben noch etwas zu tun! Es ist in jedem Urlaub ein kleiner Stapel Postkarten, die wir mit einem lieben Gruß vollkritzeln und dann in den nächsten Postkasten werfen. Wir lieben diese hübsche Tradition! Ein in Sekundenschnelle per Smartphone "an alle" verschicktes Foto kann da nicht mit! Also schreiben wir sorgfältig nette Urlaubsgrüße an unsere wichtigsten Menschen.

Am frühen Nachmittag packt uns dann doch die Neugier: Wo sind wir hier eigentlich gelandet? Wie schaut es in unserem näheren Umfeld aus? Unsere Unterkunft trägt den "Strand" schon im Namen und da vorne auf der endlosen Geraden gibt es einen Wegweiser: Vier Kilometer zum Brattenstrand. Wollen wir zu Fuß gehen? Oder lieber die Hondas nehmen?

Eine schnelle Kopfrechnung ergibt eine Wanderung von über zwei Stunden. Das ist uns doch zu ehrgeizig. Also schnappen wir Fotoapparat und Filmkamera und hüpfen auf die Hondas. Für diesen kurzen Weg reicht der Helm. Das Motorradzeug brauchen wir heute nicht.

Es sind weniger als fünf Minuten auf dem endlos schnurgeraden R40-Skagensvej, bis wir über einen schmalen Pfad schon Richtung Ufer tuckern. Wir durchqueren eine weitläufige Ferienhaus-Siedlung. Obwohl das Wetter heute wirklich unsicher dreinschaut, parken wir die Transalps auf dem kleinen Parkplatz, wo der "Bratten Strand Købmand og Grillcafé" auf Gäste wartet. Wir sind allein hier. Dienstag mittags ist es ein verlassener Strand!

Aus dem Angebot im kleinen Geschäft schließen wir, dass hier sommers viel los sein muss! (Aber wann? Heute ist der 6. Juli!) Es gibt Campingbedarf, Wasserspielzeug, Luftmatratzen und bergeweise mariniertes Grillfleisch. Wir haben keine besondere Einkaufsliste, also shoppen wir einfach für abends ein paar Kleinigkeiten. Der junge Mann freut sich über etwas Arbeit, als wir ihm noch eine große Tasse Kaffee und knusprige Blätterteigteilchen abkaufen.

Wir frösteln etwas, als wir uns auf einem der zahlreichen Tische draussen niederlassen und die guten Süßigkeiten knabbern. Aber wir ziehen das jetzt durch! Dass es bei einem Strandspaziergang bleibt und Angelika ihr Bad in der Ostsee wieder aufschiebt, ist allerdings längst entschieden.

Über einen schmalen Pfad latschen wir jetzt zum Strand. Der weiße Puderzucker-Sandstrand breitet sich in beide Richtungen aus und überall befestigt hoher Strandhafer die Badebuchten. Oh, was für ein großartiger Anblick! Kleine Schaumkronen weit draußen am Wasser zeugen von ziemlich Wind, als wir auf dem langen Badesteg stehen. Was ist das für ein seltsam schabendes Geräusch an der Wasserkante? Als wir uns nähern, entdecken wir etwas Ungewöhnliches: Es müssen Tonnen an kleinsten Muscheln sein, die hier an einer Stelle zusammengetrieben und scheppernd ans Land geschwemmt werden! Wir sind so fasziniert, dass wir die Filmkamera anwerfen.

Wir sind jedoch nicht ganz alleine hier. Ein paar unerschrockene Dänen schwimmen ihre Runden im Meer und am Strand sitzen einzelne Gäste und erholen sich. Wir verkneifen uns das Grinsen. So witzig erscheint uns der Anblick von Menschen in Badehose an diesem trüben und regnerischen Tag am Meer! Aber wir trafen Schotten und Norweger, die bei weit weniger als 23°C entspannt im Ozean geschwommen sind. Die sich auch bei 8°C ein paar Schwimmrunden im Fjord gegönnt haben!

Wir machen, was wir immer machen, wenn wir am Meer sind. Wir schauen in die Gegend, freuen uns, trinken etwas und Angelika sucht hübsche Muscheln, die sich zuhause - farblos lackiert - in der Reisevitrine gut machen. Als es gegen 16:00 zu nieseln beginnt, wird es ungemütlich und wir suchen das Weite.

Wir schaffen es gerade noch in unser Appartment und kaum, dass wir von den Transalps geklettert sind, geht ein Regenguss nieder, der seinesgleichen sucht! Wir verrammeln schnell die Türe und schauen hinaus ins Unwetter. Das war knapp! Wir machen uns erstmal ein Häferl Kakao. Es ist plötzlich kalt geworden! Nun ist eine gute Gelegenheit, wieder mal Fotos und Filmchen auf Festplatte zu bannen.

Wir haben heute noch nichts Ordentliches gegessen! Deshalb freuen wir uns gewaltig, als der Regen gegen 18:00 plötzlich aufhört und wir unsere Jause auf der Terrasse aufbauen können. Wir haben Brot und einige Kleinigkeiten eingekauft, die uns lecker erschienen. Bis auf diese seltsame Wurst mit metallischem Beigeschmack behalten wir auch Recht!

Weil jetzt abends sogar noch die Sonne heraus kommt, beeilen wir uns, auf einem kleinen Spaziergang die nahe Umgebung zu erkunden. Wir latschen ein Stück den öden Skagensvej entlang und wundern uns über das massive Gebäude auf der anderen Straßenseite, das so gar nicht in die Gegend zu passen scheint. Didi nähert sich neugierig, während Angelika instinktiv den Fotoapparat in der Tasche lässt. Sie googelt schnell.

Und just in dem Moment, als Didi die Beleuchtung ausgelöst (und offensichtlich die Videoüberwachung auf sich aufmerksam gemacht hat), findet sie den Eintrag: Hier residiert die Pelztierfarm "Nordland" in abweisenden grauen Betonblöcken. Ob die auch von den corona-bedingten Zwangsschlachtungen betroffen waren? Ob der Betrieb überhaupt noch Pelztiere züchtet? Was mit den dänischen Nerzen alles schiefgegangen ist (und noch sind die Arbeiten nicht abgeschlossen!), machte vor kurzem auch in unseren Medien die Runde...

Wir beeilen uns weg von diesem unfreundlichen Ort und stiefeln den langen und öden Weg zurück zur Unterkunft. Gehen wir noch ein paar Meter Richtung Wald? Als wir gerade an ein paar stattlichen Pferdeweiden vorbeikommen, schiebt sich über unseren Köpfen die Mutter aller Unwetter zusammen. Zuerst noch gelassen, beschleunigen wir rasch unsere Schritte und die letzten Meter zur Unterkunft rennen wir, was das Zeug hält!

Ein unfassbares Gewitter geht über Jerup nieder, der Himmel spielt alle Farben von Schwarz und der Donnerknall lässt die Luft erzittern. Aber wir sitzen längst wieder wieder bei Kaffee und Keksen in unserem gemütlichen Appartment. Langsam sollten wir zusammenpacken... morgen reisen wir weiter!

Tageskilometer: 10 km

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Ein Jokertag, oder: Gepflegte Langeweile am Meer

Schade

dass das Wetter ausgerechnet an eurem freien Tag so schlecht war! Das wäre die perfekte Gelegenheit für einen Tag im Wasser gewesen.
Ich lese gespannt weiter, ob ihr ein Nacktbad später noch geschafft habt! :-)

LG
Mich

Klasse!

Ihr habe ja aus diesem Tag voller Nichtstun auch noch etwas Nettes herausgeholt! *gefällt mir*
Ich freue mich schon auf die nächsten Reisetage

LG Tom

pause

tjaha, ab und zu braucht man auch einen tag pause. das wetter war aber sowieso nicht so schön, dass man unbedingt weiter fahren muss?
dlzg rider

Muschelberge

Die Muschelberge sind ja ein irrer Anblick. So viele hab ich noch nie gesehen. Knirsch, knirsch.

Diese Jokertage haben ihren ganz eigenen Reiz. Am schönsten ist es, wenn man sie dort einlegt, wo in der Nähe etwas zu sehen ist, ein Dorf, ein paar Läden, eine Burg, irgendwas.

Die Ruhe hat euch trotz Langeweile sicher gut getan. Sagt, lest ihr eigentlich im Urlaub, also habt ihr Bücher oder Kindle mit?

Drück euch beide fest im Dreierpack.
Lieben Gruß
Svenja

Antw.:Muschelberge

Ja diese "Jokertage" sind so ein eigenes Thema. Es ist gut, wenn in der Nähe irgendetwas Schönes ist. Zumindest ein hübsches Café. Aber dort am Brattenstrand, dort war rein gar nichts. *pfff*
Trotzdem haben wir diesen Tag gut zur Erholung brauchen können!

Nö, Bücher haben wir keine mit, wir lesen auch nichts auf der Reise, also Romane oder so. Das Kindle reist schon mit, aber da sind unsere Reiseführer drauf. Da lesen wir über das, was wir gesehen haben oder sehen werden. Streber, ne? :-)

Umarmung
Geli

Antw.:Antw.:Muschelberge

Typisch Streber!
"Frau Griesenklöter..." *schnippst mit den Fingern*
"Ja, Angelika?"
"Ich hab aus Versehen schon alle Strophen auswendig gelernt, aber wir sollten ja einklich nur die ersten drei. Ist das schlihimm?"
*hmpff...*

:-)

Antw.:Antw.:Antw.:Muschelberge

*hmpfffff*

:-)))

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zuletzt aktualisiert am 7.10.2024