Urlaub! Das ist das erste Gefühl des Tages, als wir am Vormittag aufwachen und aus dem Fenster gucken. Sonnenschein! 20°C! Aber jetzt müssen wir schnell raus. Wir wollen noch das Frühstückbuffet erwischen! Und den Gastgebern "Hallo!" sagen. Die haben wir gestern nicht mehr getroffen.
Draußen im großen Speisezimmer haben die jungen Leute ein sagenhaft tolles Frühstück aufgebaut. Es gibt so vieles und so viele Varianten, dass wir uns gar nicht sattsehen können. Sogar frisches Obst haben sie aufgeschnitten! Wir häufen unsere Teller voll und suchen einen schönen Tisch. Es ist so ein hübsches Haus. Das weiß gestrichene Altholz, überall dekorative Hinweise auf die alte Geschichte des Anwesens.
Wir werden herzlich willkommen geheißen. Nun gibt es auch Infos über das Haus. Wir dürfen die Gemeinschaftsküche jederzeit benützen, das Haus bleibt unversperrt und das wars auch schon. Was für eine wunderbare, dänisch-unkomplizierte Unterkunft!
Nach dem Essen verzupfen wir uns mit einer Tasse Kaffee auf unseren kleinen Balkon mit Seeblick. Was stellen wir heute noch an? Angelika hat einen Wunsch, der sie seit 2021 beschäftigt: Noch mal nach Nyord! Auf diese winzige, einsame Insel!
Damals waren wir auf Kurzbesuch dort und umständehalber konnten wir es nicht so richtig genießen. Das Wetter mies, das Café vollbesetzt und Didi hatte sich kurz vorher erheblich verletzt und das Blut hörte nicht auf zu ...
Aber egal! Heute wäre es doch wunderschön dort, oder?
Um 12:30 starten wir die beiden Hondas und rollen vom Hof. Nur ein paar Meter durch den Ort und schon cruisen wir bei schönstem Sonnenschein die Stege-Bucht entlang. Møn ist eine winzige Insel und Nyord liegt in einer entfernten und ziemlich untouristischen Ecke.
Wir durchqueren ein ziemlich nobel wirkenden Touristenort am Strand. In Ulvshale verbrachte der Autor Günther Grass einige produktive Sommer in seinem kleinen Bauernhaus. Auch "Der Butt" entstand teilweise in diesem Sommerdomizil, in "Die Box" erzählt er Anekdoten aus Møn!
Jetzt geht es durch einen finsteren Wald, in dessen Unterholz verstreut einige kleine Ferienhütten stehen. Heute wirken sie unbewohnt und das Wäldchen ist menschenleer. Trotzdem fahren wir langsam, um nichts zu verpassen. Schau! Da vorne ist schon die Brücke mit der Ampel!
Nyord ist heutzutage mit einem kleinen, einspurigen Damm mit dem Festland verbunden. Noch vor 50 Jahren konnte man das Dörfchen nur per Boot erreichen! Als wir uns nähern, springt die Ampel auf GRÜN und wir rollen über die Dammbrücke ohne Verzögerung weiter. Die kleine Straße, die sich flach und in weiten Bögen durchs Marschland zieht, lädt zum Zug am Gasgriff ein. Aber das wollen wir nicht!
Es ist ein so fremdes Land, auf das wir blicken und wir wollen jeden Meter davon genießen. Sumpfland, viele winzige Wasserläufe, eine Ebene, so weit das Auge blickt und dekorative schwarz-weiße Kühe, die in den Salzwiesen herumstehen. Einsam ist es hier und friedlich. Übrigens auch ein berühmtes Vogelschutzgebiet, aber davon verstehen wir nichts.
Bedächtig tuckern wir auf den winzigen Schotterparkplatz vor dem Ortseingang. Nyord ist Fußgängerzone, man darf nicht reinfahren. So klein, wie diese Siedlung ist, wäre es auch vollkommen idiotisch. Wir springen von unseren kleinen Hondas und stiefeln los.
Nur 35 Einwohner haben ihr Heimat in diesem verschlafenen Nest. Wir haben voriges Jahr den winzigen Hafen besucht und auch die achteckige kleine Kirche. Aber im einzigen Café des Ortes waren alle Plätze besetzt. Dorthin steuern wir nun zielstrebig. Ahhhh, klasse! Heute ist hier Platz für uns! Schon steigen wir die uralten Steinstufen hinauf ins Häuschen, in dem sich nicht nur das Café sondern auch die Zentrale von "Noorbohandelen" befindet.
Was für ein hübscher und familiärer Ort! Der deutsche Betreiber begrüßt uns herzlich und wir ordern große Tassen Kaffee und selbstgemachten Kuchen dazu. Alles wirkt ein wenig improvisiert aber dieser Eindruck täuscht. In diesem Haus werden Spezialitäten wie Essig und Öle, Whisky, Rum, Säfte, Senf und Marmeladen hergestellt und über ganz Dänemark verteilt. Den leckeren roten Rhabarbersaft bekamen wir sogar im nördlichen Skagen!
Vorsichtig balancieren wir unsere Jause ins Freie. Wir haben den verwunschenen Gastgarten entdeckt, wo man an die uralten weißen Steinmauern gelehnt, eine schöne Pause einlegen kann. Obwohl die Sonne hinter dünnen Wolkenschleiern verschwunden ist, hat es doch angenehme 22°C. Der Schoko- und Rhabarberkuchen schmecken großartig, die Aussichten sind prächtig und wir haben Urlaub. Besser geht es gerade nicht!
Erst viel später latschen wir wieder die paar Meter zu unseren Motorrädern. Obwohl wir diesmal auf ganz besonders leichtes Reisegepäck Wert legen, sind doch ein paar Mini-Gläschen mit Senf-Spezialitäten aus der historischen Pferdemühle in unseren Rucksack gewandert. Hier wird nach uralter Tradition produziert! Die bringen wir unseren Lieben daheim mit! Als Erinnerung an diese besondere und so abgeschiedene Insel Nyord.
Auf dem Rückweg durchs Marschland und über den Damm geben wir ein bissl mehr Gas. Wir wollen unbedingt noch in den hübschen Imbiss im alten Hafen von Stege, das ist eine kleine Tradition von uns. Wir freuen uns schon lange darauf und ein Besuch steht fix auf unserem Plan. Wir lieben es, wieder einmal neben den uralten Booten an der Wasserkante zu sitzen und leckere Smørrebrød oder Stjerneskud zu mampfen!
Die "Sternschnuppe" war voriges Jahr Angelikas Lieblingsessen in Dänemark:
Doch als wir uns nähern, fällt unsere Laune in den Keller. Was ist da los? Schwere Papierfolien verdecken die Fenster und der Gastgarten ist ungewöhnlich ungepflegt. Wir bremsen die Miet-Hondas vor der verschlossenen Türe und schauen uns um. Hat die "SPISESTEDET" für immer geschlossen? Es schaut definitiv nicht nach Ruhetag aus!
Wir sind traurig. Das war so ein Platz, auf den wir uns wirklich gefreut haben! Nirgends sonst in Dänemark haben wir uns so heillos überfressen und das zu so einem guten Preis! Haben die zahlreichen Lokalschließungen "nach Corona" nicht nur in Österreich sondern auch hier zugeschlagen? Wir wissen nichts über die wirtschaftliche Situation Dänemarks nach zwei Jahren Pandemie.
Aber es nutzt halt nichts. Wir rollen hinüber zum "Superbrugsen", dem Mega-Supermarkt am Ortsbeginn von Stege. Hier kaufen wir ein paar Kleinigkeiten und sortieren uns bei einem Automatenkaffee neu.
Fahren wir nach Hause, oder? Heute ist Sonntag und die Lokale haben alle zu. Aber wir haben für den Notfall eine Doppeltüte Travellunch eingepackt und die könnten wir uns heute abends anrühren. So machen wir das!
Wir erreichen unsere schöne Unterkunft in dem Moment, als es ganz fein zu nieseln beginnt. Was für ein Glück! Bis zum Abendessen lungern wir in den bequemen Korbsesseln am Balkon und lassen es uns einfach gut gehen. Wir merken, wie der Stress unseres Alltags langsam abfällt und sich der Urlaub innerlich breitmacht.
Nachdem wir zu Abend unser Travellunch gemampft haben und zufrieden satt sind, spazieren wir nochmal nach Stege hinein. Es ist so ruhig hier, so friedlich. Dänemark ist schon ein ganz außergewöhnliches Land, in dem alles ein wenig langsamer, ein wenig familiärer, ein wenig vertrauensseliger abläuft als bei uns. Die Menschen grüßen freundlich und ihre Häuser müssen nicht versperrt werden, wenn sie unterwegs sind.
Infobox
Wir gehen durchs "Mølleporten", das mittelalterliche Mühlentor. Es wurde 1530 gebaut und ist eines von nur zwei erhaltenen Stadttoren Dänemarks aus dieser Zeit. Der die Stadt umrundende Wall gilt als die schönste mittelalterliche Festungsanlage Dänemarks!
Wir haben gestern in der Altstadt ein Lokal entdeckt, das uns näher interessiert. Wir wollen noch ein gemütliches Bier trinken und etwas Gesellschaft. Das Café Anden ist kein Kaffeehaus, soviel war nach einem Blick durch die Fenster klar. Es ist ein ganz altmodisches Pub mit dunklen Holzmöbeln, einer Dart-Tafel, einem TV in der Ecke, wo irgendein Fußballspiel läuft und einer Theke, an der man wunderbar versickern kann. Und weil es so altmodisch oder so dänisch ist, darf man zum Bier auch rauchen!
Das ist für uns Österreicher seit Jahren vollkommen ungewöhnlich und es gehört zu den Annehmlichkeiten vergangener Jahre. Manche sagen jetzt "guilty pleasure" dazu, auch wenn uns dazu jegliches Schuldbewusstsein fehlt! Für uns gehört die ein oder andere Zigarette zum Entspannen bei einem großen Bier dazu und das ist nun mal so. Wir freuen uns sehr, dass wir nun in Kiel, in Hamburg und auch hier so ein kleines Lokal kennen, wo das noch möglich ist, ohne dass man wie ein Aussätziger beobachtet wird.
Wir haben einen großartigen, sensationellen Abend in diesem Pub und viel Spaß mit der patenten Dame hinter der Bar, die ihren Laden mit herzlicher Strenge führt. Sie erzählt uns viel über dänische Traditionen und das Leben auf so einer kleinen Insel.
Wir sind erfüllt von so viel Herzlichkeit, als wir viel später in der Finsternis heimwärts latschen. Wir sind aufs Neue ganz verliebt in dieses Land, in dem auf eine besonders gute Art die Zeit stehengeblieben scheint, und seine Menschen. Es ist so anders als zuhause...
Tageskilometer: 35 km
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