Unser erster müder Gedanke, nachdem uns der Handywecker aus dem Schlaf gerissen hat: Heute bleiben wir da! Nach sieben Tagen im Sattel tut es uns ganz gut, nur ein paar gemütliche Schritte zu gehen. Angelika hält sich tapfer gegen die Auswirkungen ihrer Operation, aber nun ist es fein, mal Pause zu machen. Die Motorräder bleiben heute stehen!
Aber zuerst eilen wir voller Vorfreude zum legendären Frühstücksbuffet der Scandic-Kette. Meine Güte, was hier alles aufgebaut ist! Die kleinen Corona-Maßnahmen haben den Umfang des Angebots nicht geschmälert und - nachdem wir erstmals unseren Impfpass vorgezeigt haben - wir räumen eilig unseren Tisch mit Leckereien voll. Wie immer bei solchen Gelegenheiten bereitet Angelika als 1. Gang beim variantenreichen Waffeleisen leckere frische Waffeln zu.
Den letzten Kaffee nehmen wir auf der Terrasse und freuen uns über das angenehme Wetter: 20°C und die Sonne bemüht sich gerade, die dünne Wolkendecke zu durchbrechen. Wir sind neugierig: Roskilde, die uralte Königsstadt! Schnell bequemes Zeug anziehen und los!
Wir gehen durch einen kleinen Park und mitten durch die Altstadt. Der Hauptplatz mit seinem backsteinernen alten Rathaus ist wunderschön und zahlreiche Menschen sitzen in den vielen Cafés für ein spätes Frühstück, das hier "Frokost" heißt! Nur 20 Minuten später stehen wir am Dom zu Roskilde. Was für ein beeindruckendes Gebäude! Hoch, schlank und fast schmucklos ragen die 85 m hohen Türme aus rotem Backstein in die Höhe.
In diesem Dom vereinen sich fast 1000 Jahre dänische Geschichte. Er ist ausserdem die älteste skandinavische Backsteinkirche der frühen Gotik! Wir zahlen den Eintrittspreis und betreten die würdevolle Kirche. Wow! Wir finden den hellen und freundlichen Innenraum mit den zahlreichen Details aus Backstein wunderschön! Aber deswegen kommt man wohl nicht in diesen Dom...
Denn dieses Gotteshaus war nicht nur jahrhundertelang Krönungskirche der Dänen, sondern auch ihre Grabstätte! 39 Könige und -innen aus allen Epochen sind hier begraben und damit kann der Dom berühmten Kirchen wie "Westminster Abbey" oder auch dem "Petersdom in Rom" durchaus das Wasser reichen! Die Grablegen dominieren den Innenraum der Kirche und der vielen Kapellen. Manchmal scheinen sie geradezu achtlos in der Kirche gestapelt.
Wir schlendern gemessenen Schrittes an den unzähligen Sarkophagen vorbei. Spannend, wie die Moden sich über Jahrhunderte geändert haben! Von demütig-schlicht bis überladen-barock sind die Särge gestaltet. Die Könige können wir nicht auseinanderhalten aber wir finden das interessant!
Nur der Wikingerkönig Blauzahn, der legendäre Gründervater Dänemarks, muss sich mit einem absurden Fresko begnügen. Nein, er hat nicht wie ein eitler Geck des französischen Absolutismus ausgesehen! Er soll 985 n.Chr. unter der Urkirche begraben worden sein, seine Überreste wurden nie gefunden.
Zwei Sehenswürdigkeiten bleiben uns im Gedächtnis:
Der künstlerische gläserne Sarkophag der derzeit regierenden Königin Margarethe II. ist schon fertig! Er steht gut ausgeleuchtet im Seitenschiff unter einer Hülle verborgen und wartet bis .... ja, bis er halt gebraucht wird. Das ist doch geschmacklos, oder? Die äußerst beliebte Monarchin und Kettenraucherin wurde heuer fitte 81 Jahre alt!
Und dann gibt es noch eine Absurdität. Zwischen zwei prunkvollen Gräbern ragt die "Königsäule" in die Höhe. In eine marmorne Stele haben Könige und Prinzen aus aller Welt bei ihrem Besuch ihre Körpergröße eingravieren lassen. Wie man es bei kleinen Kindern zuhause am Türrahmen macht!
König Christian I. war mit 2,16 m der Größte, zumindest an Körperhöhe. Aber auch viele andere wie Zar Peter von Rußland, Prinz Philip von Edinburgh, Gatte der Queen, und natürlich Königin Margarete II. waren bei diesem Spaß dabei. Unfassbar, warum machten die sowas? Wir haben versucht, bei ganz schlechtem Licht die Säule zu fotografieren, erkennt ihr etwas?
Wir sind tief in Dänemarks Geschichte eingetaucht und nun geht es in der Zeit zurück: Wir spazieren den kleinen Weg hinunter zum Wikingermuseum und -hafen an der Küste des Roskilde Fjord! Hinunter? Ja, Dänemark ist mitunter nicht so flach, wie es den Anschein hat und die umsichtigen Dänen tragen dem Rechnung, indem sie auch Fußgänger vor gefährlichen Steigungen warnen!
Im Hafen angekommen, schauen wir uns um. Bunte Segelboote schaukeln im Wind, da drüben am Pier wartet eine kleine Menschenmenge aufs Einschiffen auf ein wunderschönes Ausflugsschiff. Wir spazieren hinüber und erfahren von dem hübschen Mädchen an der Kassa, dass man hier eine Fjordtour buchen kann und abends gibt es dazu sogar ein nobles Dinner dazu! Wir schauen uns an: Das machen wir! Schnell anmelden! Klasse! Wir freuen uns über dieses überraschende Abendprogramm...
Plötzlich dringt lautes Hämmern an unsere Ohren. Was ist denn dort los? Oh, eine Bootswerft! Kräftige Arbeiter schnitzen und zimmern gekonnt an einem Wikingerschiff, während einer von ihnen irgendein Material zu einem dicken Seil dreht! Es duftet nach frischen Sägespänen und Holzteer. Wir lesen, dass hier nach original Wikingerart seetüchtige Schiffe gebaut und ausgestattet werden!
Jetzt sehen wir auch die großartigen Repliken von zahlreichen antiken Schiffen, die hier vor Anker liegen und - was mindestens ebenso interessant ist - ein kleines Café. Wir brauchen erstmal Kaffee! Nur kurz später lehnen wir in den gemütlichen Sesseln des Café Knarr und genießen leckeren Cappuccino und dick belegtes Smørrebrød. Was für ein schöner Platz! Wir lernen hier, dass die Wikinger ihre Transatlantikschiffe "Knarr" nannten. Mit diesen technischen Meisterwerken haben sie Grönland besiedelt!
Wir gehen ´rüber zur monumentalen Schiffshalle. Fünf gut erhaltene Wikingerschiffe unterschiedlichen Typs hat man hier im Fjord gefunden und ihre Geschichte und natürlich ihre Überreste sind hier zu sehen. Ein interessanter Film erklärt, wie die fünf Skuldelev-Schiffe vor 60 Jahren gefunden und restauriert wurden. Gebaut wurden sie in Norwegen, Irland und Dänemark und sie wurden vor ~1000 Jahren vor Roskilde absichtlich versenkt!
Andächtig schlendern wir an den Wracks vorbei und bewundern die uralten Kolosse, deren Gerippe immer noch einstige Macht und Größe der Wikinger erahnen lassen. Die lebendige Ausstellung lässt die Welt der frühen Globalisierer auferstehen und wir verbringen hier einige Zeit. Spannend - weil uns unbekannt - ist auch die grausame Schlacht um Fehmarn 1644, deren Überreste und Wracks man erst beim dortigen Tunnelbau gefunden hat. Wir spazieren durch die kleine Ausstellung, die Schleswig-Holstein hier eingerichtet hat.
Jetzt haben wir aber genug von soviel Information und uns ist nach einem gemütlichen Kaffee. Im Hafen gibt es einige Kiosks und Bars und wir nehmen einfach jenen mit der kürzesten Warteschlange. Ein kleines Eis und einen ziemlich guten Automatenkaffee später schreiten wir gemessenen Schrittes zur Anlegestelle der M/S Sagafjord.
Wir sind etwas unsicher ob unserer Bequemkleidung. Sind wir angemessen gekleidet für eine Dinner-Fahrt mit dem eleganten Schiff? Das war doch eine spontane Idee und manche Gäste tragen sogar Krawatte! Aber unsere Zweifel zerstreuen sich, als wir von einem ausgesucht höflichen jungen Mann zu unserem Tisch geführt werden. Es wird schon passen! Ausserdem können wir jetzt rein gar nichts daran ändern.
Punkt 18:30 legt das Schiff ab und wir können uns kaum sattsehen! Es wandert ein leckerer Gang nach dem anderen auf unseren Tisch und gleichzeitig schippern wir langsam kreuz und quer über den schönen Fjord mit seinen unbewohnten Ufern! Was für ein Erlebnis! Angelika war angesichts einer dreistündigen Bootsfahrt flau im Magen gewesen, aber die sagen, dass der Fjord mancherorts nur einen Meter tief ist. Da kann nicht viel passieren, oder?
Wir mampfen leckere Köstlichkeiten (die wir mit Googletranslate übersetzen) und spazieren zwischen den Gängen über das traumhafte Schiff mit seiner glänzenden Mahagoni-Messing-Ausstattung. Vor dem Dessert lassen wir uns an Deck lange den Wind ins Gesicht blasen und schauen auf das einsame Ufer mit seinen dichten Wäldern.
Langsam geht die Sonne unter und schönes Abendrot legt sich über den stillen Fjord. Schau, über Roskilde regnet es! In prächtigen Farben geht ein Unwetter über jenem Ufer nieder, wo wir die kleine Stadt vermuten.
Nach vielen Vor-, Zwischen-, Haupt-, und Nachspeisen und einer guten Flasche Wein ankern wir wieder im Hafen. Wir sind noch ganz verzaubert von dem wunderbaren und luxuriösen Erlebnis, als wir kurz vor Mitternacht durch die dunkel und still gewordene Stadt Richtung Hotel wandern. Bei einem großen Milchkaffee auf der Hotelterrasse (ein Scandic schläft nie!) lassen wir den Urlaubstag ausklingen. Wir haben die alte Königstadt Roskilde sehr gemocht!
Tageskilometer: 7 km zu Fuß
Morgen fahren wir weiter: >> klick