Zum Frühstück gibts heute die letzten ausgetrockneten Rosinenboller von der Tankstelle gestern in Trysil, die wir in den Häferlkaffee stippen. Wir lassen uns Zeit, denn auf diesem Campingplatz ist es wirklich wunderschön und wir haben nur einen kurzen Fahrtag!
So darf ein Montag beginnen! Die Sonne scheint und es hat morgens schon 15°C! Langsam reinigen wir die Hütte und um 9:30 sind wir startklar.
Wir bleiben auf dem Rv62, der sich in weiten und ziemlich flachen Kurven durch die Wälder schwingt. Unser Ziel ist Ekshärad, denn dort gibt es etwas zu sehen! Nur 25 km später bremsen wir schon wieder und stellen uns auf den kleinen Parkplatz bei der Kirche. Das falunrote Gebäude ist wirklich nicht zu übersehen!
Seit unserer ersten Norwegenreise sind wir von diesen Holzkirchen fasziniert und diese hier ist ganz besonders! Der monumentale Bau ist um vieles größer als ihre Cousinen in Norwegen! Wir eilen schnell hinein. Der Innenraum ist hell und luftig und bunt. Ganz anders als die dunklen und muffigen Norweger, die nach Altholz und Teer riechen.
Wir schauen uns um und entdecken an der Wand ein mysteriöses Gerät, das an einen großen Audioguide erinnert. Wir lieben Audioguides! Wie funktioniert denn das? Wir werfen mal ein paar Münzen ein und drücken auf den Knopf "German".
Plötzlich erklingt ein fantastisches Orgelkonzert und wunderschöne Klänge wabern durch die Kirche. Eine sonore Männerstimme füllt den Raum. Das Tonband erzählt die 333jährige Geschichte der Kirche und die Besonderheiten dieses Platzes. Wir sind begeistert!
Auch ein kleiner Skandal wird thematisiert. In den 1920er Jahren verpasste ein Restaurator dem Erzengel des Deckengemäldes Gesicht und Frisur seiner Geliebten. Diese war jedoch verheiratet und nun ziert den skandalumwobene Engel eine klassische Wasserwelle und Make-Up der 20er Jahre!
Die Kirche wurde erbaut, nachdem zwei ihrer Vorgängerinnen in den Fluten des Kläralven versunken waren. Nur den Taufstein konnte die Bevölkerung aus dem Wasser zerren und er wurde auch in der neuen Kirche aufgestellt. Langsam schlendern wir von Altar zu Altar und schauen alles genau an. Mit ein paar Orgelakkorden verklingt der Audioguide und in der Kirche ist es wieder vollkommen still. Das war schön!
Die eigentliche Sehenswürdigkeit hier ist aber der Friedhof! Hunderte traditionelle Eisenkreuze sind hier zu sehen! Das älteste ist 260 Jahre alt. Auf jedem dieser Grabkreuze sind unzählige eiserne Birkenblätter lose befestigt, die im Wind baumeln und ein zartes Klingeln von sich geben. Wir lesen im Infoblatt, was das bedeutet.
Während die ersten Kreuze noch ungeschmückt und trostlos den Tod als Bestrafung zeigten, änderten sich die Kreuze ab dem Ende des 18. Jhdt., als die Erweckungsbewegung die Sichtweise auf den Tod änderte. Nun ging es um das wunderbare ewige und bessere Leben im Himmel. Die Kreuze wurden kunstvoller, lieblicher und fantasievoller.
Das Kreuz symbolisiert den Lebensbaum. Jeder Ast zeigt die Anzahl der Nachkommen, die für den Reichtum einer Familie entscheidend sind. Die lose im Wind schaukelnden Blätter, die irgendwann abfallen, sind die Menschen. Auch wenn sie sterben, bleibt das Leben doch unvergänglich.
Seit Anbeginn werden diese Eisenkreuze von der ortsansässigen Schmiede hergestellt. Anfang des 20. Jhdt. gab es einen kurzen Einbruch, aber heutzutage wenden sich immer mehr Menschen dieser traditionellen Volkskultur zu und bestellen solch ein Grabkreuz. Der Preis war damals jener einer Kuh und das ist er auch heute noch...
Der erste Schied von Ekshärad fertigte auch die Kirchenuhr. Es war das Jahr 1783, als der 21jährige Johan seine kunstvolle Arbeit ablieferte und so in Wut über den niedrigen Lohn geriet, dass er seine Uhr verfluchte: "Wenn ich sterbe, bleibt sie für immer stehen!" Obwohl er sofort aus Ekshärad vertrieben wurde und im Exil im Armut starb, blieb die Uhr an seinem Sterbetag stehen.
Erst 186 Jahre später konnte ein Schmied die Uhr wieder zum Laufen bringen! Seit 1969 hängt sie in einem eigenen Glockenturm in Ekshärad.
Wir sind beeindruckt von diesem Stück schwedischen Volksglaubens, als wir wieder auf die Transalps klettern. Dass wir in dem kleinen Supermarkt da drüben keine Jause kaufen, wird sich noch als Fehler herausstellen...
Nun fahren wir wieder auf dem Rv62 den Kläralven entlang. Didi wird abends in sein blaues Notizbuch kritzeln "Eintönige Fahrt", und ja das stimmt wohl auch. Unendlich ziehen sich die Wälder links und rechts und nur selten taucht ein falunroter Bauernhof auf. Die Straße windet sich in seltenen Kurven und meistens geradeaus übers flache Land. Schweden ist wohl nicht bekannt für seine spektakulären Tracks!
Uns stört das heute nicht. Wir sind müde von den vielen Eindrücken der Reise und lassen die Transalps gleichförmig dahinlaufen. Bei Edebäck haben wir auf den schmalen Rv240 gewechselt. Wir erkennen an den Ortsschildern, dass wir hier vor einigen Tagen schon langgefahren sind, am Weg nach Falun! Uns wird bewusst, dass unsere Reise langsam zu Ende geht...
Wir kommen nun an einigen kleinen Seen vorbei, deren Namen nicht in der Karte verzeichnet sind. Bei einer kurzen Pause bemerken wir, dass wir ziemlich Hunger haben. Die Kekse sind längst alle und ausser ein paar Schluck aus der Thermoskanne haben wir nichts an Bord. Anfängerfehler! Aber wo sollen wir in dieser Einsamkeit hier etwas finden? Es hilft nichts, wir müssen weiter.
Nach 60 km stehen wir in Molkom. Auf der Suche nach Essen kurven wir in den kleinen Ort und finden einen Coop-Supermarkt. Großartig! Wir eilen zur Salatbar und stellen uns große Schüsseln einer fantasievollen Mischung zusammen, die wir großzügig mit Dressing übergießen. Draußen auf dem kleinen Hauptplatz setzen wir uns auf ein Bankerl und mampfen hungrig die großen Portionen, deren Hauptzutaten kalte Kjøttbullar, Shrimps und kleine Mozzarellakugeln sind.
Der Rv240 führt nun über flaches, offenes Land. Die Waldstrecken werden kürzer und immer öfter sehen wir wunderschöne Pferde auf Weiden stehen, die bis zum Horizont zu reichen scheinen. Nach 30 km sind wir in Väse und biegen links auf die Autobahn E18 auf.
Die nächsten 20 km bringt die steife Brise etwas Abwechslung, die vom Vänernsee hereinbläst und uns in üble Schräglagen zwingt. Wir fahren nun am Nordostufer des größten Sees Schwedens und der gesamten EU entlang! Hier ist viel Verkehr und Angelika studiert während der Fahrt genau die Karte, um die nächste Abzweigung nicht zu verpassen.
Wir umrunden Kristinehamn und finden mit etwas Glück auf den Rv26. Noch ein letzter Kreisverkehr und nach ein paar Metern sehen wir das gesuchte Schild "Runsten". Wir werfen ambitioniert Anker und biegen mit einem sehenswerten Stunt rechts ein. Das kam doch etwas überraschend! Jetzt tuckern wir einen schmalen Güterweg entlang, der uns zu einem winzigen Bauernhof bringt.
Wir halten am Schotterweg und schauen uns um. Ah, da ist er! Rechter Hand sehen wir ihn, den ältesten Runenstein Schwedens! Wir klettern von den Transalps und steigen über die kleine Holztreppe die Wiese hinauf. Die Steinsäule steht alleine mitten auf einem Acker, ohne Absperrung oder weitere Hinweise. Rund um uns steht hohes Gras, nur ein kleiner Fleck ist ausgemäht.
Ein halbnacktes, etwas verhuschtes Pärchen in weißen Hemden meditiert im Schatten des 1.500 Jahre alten Runensteins. Sie räumen missmutig das Feld, als wir uns nähern. Die hätten uns doch gar nicht gestört!
Andächtig stehen wir davor. Die Säule ist etwa 1,80 m hoch und die Wikingerschrift ist kaum noch erkennbar. Es ist vollkommen ruhig hier. Nur das Brummen und Flirren von Insekten im gleißenden Sonnenschein ist zu hören. Wir lesen am Smartphone, was die Runen bedeuten: "Ljuv ist mein Name. Ravn ist mein Name. Ich, Eril, schreibe die Runen". Nicht viel Info, aber zumindest der Name des Künstlers ist bekannt...
1862 fand ein Bauer diesen Stein auf seinem Acker, von Erde bedeckt. Er wollte ihn als stabilen Zaunpfosten verwenden, erkannte dann aber die Besonderheit und stellte ihn an der Fundstelle auf. Obwohl es umfassende Forschung gab, fand man keine weiteren Zeugnisse der Vergangenheit und die Familie des Finders bewirtschaftet dieses Feld noch heute und lässt Gäste den Stein besuchen.
Während wir uns für die Weiterfahrt fertigmachen, beobachten uns zwei liebe Pferde, die in der Hoffnung auf einen Leckerbissen langsam nähertrotten. Tut uns leid, ihr Lieben! Wir haben selbst nichts zu essen mit. Wir klettern auf die Transalps und nehmen das letzte Stück in Angriff.
Es sind noch 50 schnurgerade Kilometer bis zum Campingplatz! Und ist heiß und wir schwitzen bei 23°C ziemlich in unsere Merino-Wäsche, was der Aufmerksamkeit nicht gut tut. Es fällt uns nach tausenden Kilometern schwer, auf diesen geraden Straßen durch die gleichförmigen Wälder die Konzentration zu halten und die ein oder andere Sekunde kämpft Angelika sogar mit dem gefürchteten Sekundenschlaf.
Endlich, am frühen Abend haben wir es geschafft! Wir kurven die Abfahrt zum Campingplatz Askeviks hinunter, der am Ufer des Vänernsees liegt. Es ist ein enorm großer Campingplatz! In der Hauptsaison muss hier die Hölle los sein, aber bislang sind nur wenige Wohnmobile da und wenige Hütten besetzt. Nachdem wir uns an der Rezeption mit einem Eis erfrischt haben, drücken uns die netten Schweizer Chefs den Schlüssel Nr. 2 in die Hand. Danke, wir nehmen noch zwei Dosen Bier mit!
Oh es ist fantastisch! Der kleine Luxusbungalow liegt genau am Ufer mit ungestörtem Ausblick auf den Horizont. Die werben hier mit dem tollsten Sonnenuntergang Schwedens! Wir versorgen schnell unser Zeug und fläzen uns kurzärmelig in die noble Terrassengarnitur in die Sonne und schlürfen das kalte Bier. Was für ein Sommertag!
Genußvoll löffeln wir das letzte Travellunch dieser Reise - wir haben uns extra Pasta Bolognese für diesen Abend aufgehoben. Und wir haben noch ein letztes Mousse au Chocolat! Nach dem Essen, als der wirklich unfassbar epische Sonnenuntergang beginnt, gehen wir zur Wasserkante und beobachten staunend das Farbenspiel des Himmels, das sich im See verdoppelt. Es ist schlicht grandios!
Uns erreicht ein Foto des norwegischen Straßendienstes. Die E69 zum Nordkapp versinkt im Schnee und ist heute am 10. Juni gesperrt! Diese Meldung könnte angesichts der sonnigen Wärme hier kaum absurder sein! Obwohl, vor 10 Tagen machten wir uns dort ebenfalls Sorgen über winterliche Straßensperren ...
Während der kleinen Platzrunde kühlt es schnell auf 9°C ab und wir machen es uns in der Hütte bequem. Ein letztes Mal sichern wir Fotos und Filme auf die monströse Festplatte unseres Tablets. Morgen beginnt die zweitägige Heimreise.
Gute Nacht, Schweden!
Tageskilometer: 195 km
Hier gehts weiter Richtung Göteborg: >>klick
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