2. Tag: Dresden - Rostock - Gedser

Es ist kalt und unfreundlich in Sachsen. Die Straßen sind nassgeregnet. Düster-trübes Wetter bei 12°C, als wir im Halbdunkel aus dem Bett klettern. Es ist kurz nach 5:00 Uhr. Eine - für uns - völlig unmenschliche Zeit! Wir sind grantig und haben bewölkte Laune. Wir müssen heute ein zweites Mal fast 500 km schaffen und das auf der langweiligen Autobahn.

Wir sind um diese Uhrzeit nicht die Allerschnellsten und so dauert es doch eineinhalb Stunden, bis wir in der Morgendämmerung die Rack-Packs auf die Transalps schnüren und aufsteigen. Mit einem dumpfen Grollen erwachen 750cm³ zum Leben. Wir haben unsere alten Transalps über alles geliebt aber dieser Charakterbass, der ist ´ne ganz andere Oper!

Der dichte Bodennebel verdeckt gnädig die Schlichtheit des kleinen Dresdner Vorortes und wir bollern zügig auf die A13 Richtung Ostsee. Alles ist in dichten Nebel gehüllt und wir ziehen ganz alleine unsere Bahnen. Es ist ein fast unwirkliches Gefühl, die Einsamkeit einer deutschen Autobahn.

Schon lesen wir große Schilder, die auf ein gewisses Lausitzer Heidegebiet hinweisen. Da war doch was? Bei einer kurzen Kaffeepause überlegen wir, woher wir das kennen. Nun, vermutlich war es irgendeine Natur-Doku auf NDR, unserem Lieblingssender.

Es ist 7:30 Uhr und wir stehen im lichtlosen Sonnenschein an einer Tankstelle. Ein wenig lustlos mampfen wir mit klammen Fingern die kalten Schnitzelsemmerl und nippen am heißen Pappbecher. Ein halbwegs liebloses Frühstück! Wir fühlen uns ein wenig gehetzt und in Eile, grundlos, wie wir zur Sicherheit immer wieder nachrechnen.

Angelika hat den Wegweiser nach Lauchhammer erkannt. Da gab es doch mal so eine tolle ARD-Krimiserie, die dort spielt? Die monströsen Tagebaugebiete ehemaliger Braunkohlestätten sind vielleicht eine eigene Reise wert. Kann man diese Industriedenkmäler eigentlich besichtigen? Oder wurden die alle geflutet und zu Naherholungsgebieten mit Seeufer? Wir müssen das recherchieren!

Zwischen uns und dem Hafen liegt Berlin. Wir vereinbaren, rechts herum zu fahren. Warum auch immer! Die Strecke schaut auf der Karte ein bissl kürzer aus. Also los!

Wir lieben jede Minute mit unseren neuen Motorrädern! Es ist unglaublich, mit welch gleichmäßiger Kraft sie dahinpowern, welche Leichtigkeit, welche Mühelosigkeit! Der SPORT-Modus ist die Wahl der Stunde und mit noch ungewohnten 92 PS können wir auch auf der deutschen Autobahn "bei den Großen" mitspielen. Man sitzt auch bei 160 km/h noch überaus bequem und unverkrampft!

Noch eine kurze Pause auf halber Strecke und schon sind wir am "Schönefelder Kreuz". Hier fällt die Entscheidung, hier teilt sich die A10. Rechts, Richtung Prenzlau! Hier darf man nur 120 km/h und es geht in vier bis fünf breiten Spuren rund um Deutschlands Hauptstadt. Ja, uns ist langweilig und leider trennt uns dichter Wald von einem Blick auf die Stadt.

Wir fahren durch üppiges Holz, die Gegend scheint nahezu unbewohnt. Nur das Tesla-Gigawerk bringt etwas Abwechslung. Wir rollen ziemlich lange an dem enormen Firmengelände vorbei. Wir lasen, dass es noch größer werden soll! Im Frühjahr 2024 gibt es eine Abstimmung über das umstrittene Projekt.

Die rasante Fahrt mit den Transalps lässt die Landschaft nur so vorbeifliegen, dennoch machen wir die ein oder andere kurze Pause. Ein lustiger Berliner Biker vertreibt sich mit uns die Zeit auf einem weitläufigen Parkplatz im Nirgendwo. Was für ein nettes Benzingespräch mit dem Neuling!

Aber hast du vorhin das Schild Richtung Hamburg gesehen?! Als wir bei Wittstock/Dosse unter prallem Sonnenschein in unsere Jacken schwitzen, vereinbaren wir, uns dieses Autobahnkreuz genau einzuprägen. Wir werden es nächstes Jahr am Weg zur Color Line-Fähre nach Kiel brauchen! Wir werden die gesamte Strecke Wien-Kiel unter die Räder nehmen und auch hier wieder vorbeikommen.

Wir geben jetzt Gas. Haben wir nicht zuviele Pausen eingelegt? Schaffen wir unsere Fähre nach Dänemark am frühen Abend? Es wäre blöd, wenn wir die verpassen. Wir haben so eine schöne Übernachtung im Süden der dänischen Insel Falster geplant!

Noch ein paar kräftige Züge am Gasseil (das in unseren neuen Transalps längst durch fancy throttle-by-wire ersetzt wurde) und schon brausen wir am Rande von Rostock entlang. Man erahnt bereits die großen Häfen und Meeresluft! Die A19 führt direkt zum Anleger, soviel haben wir recherchiert.

Ein paar Kreisverkehre, mal rechts, mal links ´rum. Vorbei an den wartenden LKWs und immer dem Schild "Baltic Sea Ferries" folgen! Da vorne, schau! Selbstbewusst rollen wir zum Kassahäuschen und zeigen unsere Tickets vor. Es ist genau 13:34 Uhr. Wir haben die Fähre um vier Minuten verpasst. Die nächste geht in zwei Stunden, wie das nette Mädchen entschuldigend erläutert.

Verblüfft tuckern wir in unsere Wartespur "Line 4". Wieso verpasst?! Wir sind viereinhalb Stunden zu früh da! Wir hatten die Fähre um 18:00 Uhr geplant und uns deshalb so beeilt! Auf schöne Kaffeepausen und Ausschlafen in der Früh verzichtet! Wie konnte das passieren?! Wir schauen uns verwirrt an. Wir haben uns komplett verrechnet. Oder vielmehr den SPORT-Modus unserer 92 PS unterschätzt. Die Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit lag bei 72 km/h *). So schnell wie noch nie!

Wir haben nun viel Zeit. Ein bulgarisch-dänischer Biker wartet mit uns und es entspinnt sich ein gutes Gespräch über Reiseangelegenheiten. Und wir sind froh über die wackelige Bank im Schatten des WC-Häuschens. Die Sonne heizt mit über 30°C auf den ungeschützten Betonplatz.

Als man uns um 15:30 Uhr deutlich zuwinkt, tuckern wir würdevoll die Rampe hinauf in den Schiffsbauch. Ganz nach vorne, deutet der gutaussehende Däne in "high visibility"-Gelb.

Mit der Routine von vielen Jahren und vielen Fähren zurren wir die Motorräder fest. Die Gurte hier sind nagelneu! Wir können uns ein Grinsen nicht verkneifen. Wir erlebten schon Biker, die ihre eigenen Ratschengurte im Gepäck hatten. Die schleppen die Dinger eine ganze Reise lang mit, weil sie den Fährengurten nicht trauen. Oder dem Vorhandensein ebendieser. Keine Ahnung, aber wir finden die lustig!

Als die "M/F Berlin" um Punkt 15:45 Uhr Kurs auf Dänemark nimmt, hocken wir bereits am Premiumplatz im Bug-Restaurant. Didi hat das All-u-can-eat-Buffet entdeckt und wir haben genau zwei Stunden Zeit! Wir freuen uns über diese außerordentlich günstigen Umstände, als wir wiederholt zu den Töpfen und Schüsseln stiefeln und querbeet unsere Teller beladen.

Den letzten Kaffee schlürfen wir oben an Deck im Sonnenschein. Blitzblauer, wolkenloser Himmel und die tiefblaue Ostsee, die so ruhig vor uns liegt, als könne sie kein Wässerchen trüben. (Sie kann, wie wir vom Skagerrak wissen!) Es ist eine fantastische kleine Kreuzfahrt zu den Wikingern! Habt ihr schon mal den spektakulären Antrieb gesehen? Wir starren staunend eine Weile zum enormen Rotorsegel der Hybridfähre hinauf.

Wir betreten dänischen Boden um genau 17:45 Uhr und es dauert ein wenig, bis sich das Chaos aus Bussen, Autos und Wohnmobilen durch die Baustelle gefädelt hat.

Von der Fahrbahn fehlt die oberste Asphaltschicht und wir rollen mit 30 km/h ins Landesinnere. Die tollen Transalps halten gut die Spur und lassen sich von den aggressiven Längsrillen nicht beeindrucken.

Wir brauchen für 15 km genau eine halbe Stunde. Das alte und gefühlvoll renovierte Gehöft des "Marielyst Sleep´n Go" ist nicht zu übersehen! Schwungvoll kurven wir in den Innenhof und direkt in eine Parklücke. Es ist wunderschön hier! Eine fantastische erste Unterkunft in Dänemark! Wir sind vom ersten Augenblick an schockverliebt. Hier hat jemand wirklich alles richtig gemacht.

Wir haben keinen Hunger mehr, aber wir bedienen uns reichlich an der kostenlosen Kaffee-Tee-Kakao-Theke, die hier tagsüber auf Interessierte wartet. Ein großer Kühlschrank hält Getränke bereit und wir nehmen eine schöne Flasche Rotwein. Gezahlt wird auf Vertrauen morgen beim Frühstück. Wie dänisch!

Der Chef ist ein entzückender und netter Mann, der zu Recht stolz auf sein kleines Anwesen ist. Wir unterhalten uns mit ihm prächtig, als die Sonne untergegangen ist und wir im schönen Innenhof auf gemütlichen Sesseln lehnen. Obwohl wir heute früh aufgestanden und weit gefahren sind, gehen wir erst gegen Mitternacht schlafen.

Wir fühlen die dänische Gemütlichkeit, jede Anstrengung und jeder Stress sind von uns abgefallen. Ab morgen ist Dänemark!

Tageskilometer: 460 km

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*) Die Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit ist seit Jahrzehnten unser geübtes Maß für die Tourenplanung. "Wie weit komme ich pro Tag, wenn ich wie schnell fahre?" Die Geschwindigkeit inklusive Besichtigungen, Pausen, Kaffee- und Tankstopps und Fahrzeit ist dabei weit geringer, als gedacht...
Sind viele Pässe, Offroad oder Besichtigungen, dann sind es 25 km/h Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit. Bei normaler Fahrt steigt diese auf 40 km/h. (Dann brauchen wir für eine 250 km lange Tour etwa 6 Stunden.) Ist viel Autobahn dabei, rechnen wir mit 50 km/h.
An diesem Tag erreichten wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 72 km/h und waren dementsprechend überrascht!

Eine rasante Fahrt und endlich Dänemark!

Dänisches Urvertrauen

Die Durchschnittsgeschwindigkeit an diesem Reisetag ist wirklich verblüffend hoch. Meine Güte, sind das schöne Motorräder, eure neuen Transalps in der coolen Lackierung. Ich liebäugel immer wieder damit. Wisst ihr schon etwas zum Verbrauch zu sagen bei langsamer Fahrt auf Landstraße im Limbo Style, How low can you go?

< Gezahlt wird auf Vertrauen morgen beim Frühstück. Wie dänisch!
Ist es nicht herzerwärmend zu erleben, welch verbreitete Währung "Vertrauen" in Dänemark ist? Auch das ist wohl Teil dieses besonderen Gefühls, wenn man dort unterwegs ist.

Um Mitternacht ins Bett! Hmpff...
Einmal im Jahr: Zu Silvester. Zehn nach.
Ach ja: Und wenn ich Besuch habe ... :-)))

Antw.:Dänisches Urvertrauen

Huhuu! Ja diese Info ist vielleicht wichtig: Im Limbostyle fahren wir die Hondas so um die 3,5 Liter. Was unglaublich wenig ist und eine Reichweite von über 400 Kilometer bringt!
Damit lässt es sich sehr komfortabel arbeiten.

:-)))

Euch scheint die Fahrt mit euren neuen Motorrädern nicht langweilig geworden zu sein. Obwohl ihr nur auf der Autobahn geheizt seid.
Mir gefällt das, dass man eure Freude herauslesen kann.
Danke für den Bericht!
LG Micha

Antw.::-)))

Danke für das Kompliment! Ja das sind ganz wunderbare Motorräder, wie für uns gemacht!

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zuletzt aktualisiert am 17.4.2024