Als wir um 10:15 das Hotel verlassen, begrüßt uns Kiel mit trüber Wolkendecke. Es schaut nach Regen aus aber es ist mit 18°C eigentlich angenehm mild. Wir riskieren, ohne Regenzeug loszufahren!
Während wir den uns bekannten Weg aus der schönen Stadt nehmen, freuen wir uns über den Anblick der gewaltigen Stena-Line, die am Schwedenkai auf Passagiere wartet. Wir haben mit ihr -so auch wie mit Kiel- so schöne Erinnerungen an vergangene Motorradtouren!
Weil die B202 immer noch gesperrt ist, nehmen wir -so wie gestern- die B502 an der Ostsee entlang. Heute ist Samstag und wir begegnen vielen Motorradfahrern, die allesamt freundlich ´rübergrüßen. Wir finden das außergewöhnlich, denn diese Tradition gehört in Österreich fast der Vergangenheit an. Sind wir einfach zu viele geworden? Oder ändert sich da grundsätzlich etwas?
Der Himmel über uns wird schnell noch finsterer und auf den Ebenen Schleswig-Holsteins sieht man weit in die Ferne. Was wir sehen, überzeugt uns, so schnell wie möglich rechts ran zu fahren und uns ins Regengewand zu winden. Während wir uns wasserdicht machen, studieren wir das beeindruckend dicke Reet-Dach des Hofes, in dessen Einfahrt wir stehen. Was für eine grandiose und fremdartige Bautradition!
In Lütjenburg tuckern wir durch strömenden Regen. Was für ein furchtbares Unwetter! Wir fahren vorsichtig, denn anders als unsere Transalps sind uns die beiden fremden Motorräder nicht vertraut genug, um auf der regenüberschwemmten Straße Gas zu geben. Ohne viel links und rechts zu gucken, rollen wir im Starkregen bis Oldenburg. So ein Mist!
Dort kennen wir eine Shell-Tankstelle und wir hatten noch kein Frühstück! Aber wir hätten es wissen müssen, denn wir wurden hier schon mal enttäuscht. Hier gibt es nichts zu essen! Nicht einmal ein paar in Folie gequetschte Brötchen! Wir müssen mit einem Becher Automatenkaffee vorlieb nehmen, wie wir muffelig zu Kenntnis nehmen. Komm, lass uns weiterfahren!
Z´Fleiß klaut Angelika noch eine Handvoll dieser dünnen Plastik-Überhandschuhe aus dem Spender. Die werden beim nächsten Regen gute Dienste tun! Zur Sicherheit zieht sie gleich ein Paar über. Man weiß ja nie! Ihre Lieblings-Lederhandschuhe sind nicht vollends wasserdicht! Diese dünnen Überzieher halten nicht besonders lange, aber sie sind ein paar Kilometer gut gegen die Nässe.
Es nieselt nur mehr leicht, als wir im Schritttempo über den "Kleiderbügel" rollen, wie die Fehmarnsundbrücke hier genannt wird. Hier ist immer Baustelle, immer! Wir können uns nicht erinnern, jemals ohne Behinderung nach Fehmarn ´rübergefahren zu sein. Unsere Laune bessert sich jedoch erheblich, als wir am Fähranleger in Puttgarden in unsere Wartespur fahren. Es regnet nicht mehr und trübe Sonne kommt heraus!
Wir hatten diesmal kein Vorab-Ticket gekauft, denn das funktioniert hier ganz problemlos. Die Überfahrt kostet uns pro Person umgerechnet nur 39.-! Es ist 12:45 und die nächste Fähre nach Dänemark geht um 13:20. Perfektes Timing!
Wir mögen die Scandlines sehr! Das Schiff ist klein und übersichtlich, alles läuft stressfrei und geordnet und letztendlich dauert die Fahrt auch nur 45 Minuten. Für uns müssen die keinen Unterwassertunnel nach Dänemark bauen! Kaum haben wir die Motorräder in den Schiffsbauch gelenkt und nachlässig mit einem kleinen Gurt festgezurrt, eilen wir ins winzige Kaffee an Bord.
Didi besetzt einen der wenigen Tische, während Angelika eine großzügige Bestellung ordert. Hotdogs, Pølsehorn und Kaffee! Wir sind wirklich, wirklich hungrig! Schnell mampfen wir das leckere dänische Fastfood und haben sogar noch einige Minuten an Deck. Strahlender Sonnenschein über dem Fehmarn-Belt!
Doch diese Freude ist von kurzer Dauer. Kurz nach 14:00 rollen wir über den weit geschwungenen Anleger vom Schiff nach Dänemark, passieren die nicht vorhandene dänische Grenzkontrollen ... und retten uns vor einem Regenguss unter die kleine Tankstelle im Hafen. Ein Unwetter, das seinesgleichen sucht, prasselt auf uns herab! Wir teilen uns den schmalen Platz mit zwei Radfahrern, die ohne Regenkleidung Schutz suchen.
Es ist schon 14:30, als wir uns im Regen auf die Autobahn Richtung Kopenhagen schwingen. Bei diesem Dreckswetter haben wir keine Lust auf kleine, hübsche Straßen. Zumal es da vorne -die Ebenen lassen einen großzügigen Weitblick zu- nach Sonnenschein aussieht! Wir haben zwei Möglichkeiten: Autobahn bis Møn oder die niedliche Uralt-Fähre in Stubbekøbing. Klar, was wir vorziehen, oder?
Pünktlich als wir bei Nørre Alslev die Autobahn verlassen, kommt die Sonne wieder! Klasse! Es sind nämlich nur mehr 25 km bis zum winzigen Hafen in Stubbekøbing und wir haben uns so sehr darauf gefreut! Mit ein paar wunderbaren Schwüngen bremsen wir die beiden fremden Hondas direkt vor dem Fähranleger. Schau, die alte "Ida" ist gleich da!
Nachdem nur ein Auto und ein paar Radfahrer an Land gegangen sind, gibt Angelika übermütig Gas und zieht in einem durch, bis ganz nach vorne, dort wo die beste Aussicht ist. Sie erntet dafür eine geballte Faust des Kapitäns, böse Blicke und eine herzhafte Verfluchung. Warum denn? Es ist doch nichts passiert? Was hab ich denn Böses getan, fragt sie sich enttäuscht?
Vielleicht hätten wir die Radfahrer zuerst an Bord lassen sollen? Aber das steht nirgends geschrieben und so stehen wir jetzt ganz vorne an der Reling und gucken hinüber nach Bodø. Didi bezahlt die kleine Gebühr von umgerechnet 15.- und schon nach 10 Minuten sind wir da. Diesmal lassen wir die Radfahrer, die uns während der Überfahrt mit Verachtung gestraft haben, als erste von Bord. Gute Fahrt, Leute!
Die Sonne scheint mit voller Kraft, als wir die kurze Strecke bis Møn fahren. Die Fahrt über das hübsche grüne Land, den kleinen Damm, der die Inseln Bogø und Møn verbindet, der Blick hinüber auf die markante Fanefjord-Kirche in ihrem strahlenden Weiß ... wir erinnern uns sofort, warum wir Dänemark seit unserer langen Tour 2021 so mögen!
Wir kennen den Weg auswendig und das ist gut! Wir haben an den Miet-Hondas keine Möglichkeit, während der Fahrt die Karte zu lesen und Navi gibts auch keines. Da vorne ist schon Stege! Der wuchtige Turm der kleinen Kirche ist weithin sichtbar! Noch schnell durch den kleinen Ort und nur wenige Meter später tuckern wir rechts einen Schotterweg hinunter und parken die Hondas vor einem beeindruckenden Holzhaus.
Wir übernachten im B&B Stege Nor! Als wir das Haus betreten -es ist wie so oft im ländlichen Dänemark nicht versperrt- sind wir sofort verliebt. Ein uraltes und wunderbar renoviertes Gebäude, historisches Fachwerk, hell und freundlich, interessante bäuerliche Deko und dunkle Holzmöbel mit Geschichte.
In der modernen Küche steht ein Schild, darauf ist vermerkt "Roselstorfer: Room No. 3". Der Schlüssel steckt und wir sperren auf. Die Einrichtung ist allerliebst und unser Zimmer mit Seeblick ist sagenhaft schön! Wir fühlen uns sofort zuhause.
Wir machen nur eine kurze Pause und trinken einen Kaffee aus unseren Vorräten und knabbern dazu ein paar "Gifflar", die uns Svenja gestern fürsorglich ins Gepäck gestopft hat. Wir lieben diese kleine Tradition mindestens ebenso wie die süßen Zimtkringel in der Tüte!
Es ist 17:00, als wir uns in Bequemkleidung auf den Weg machen. Wir haben uns beeilt, weil die Sonne noch scheint! Der Ortskern von Stege ist 1,5 km entfernt, das ist nur ein kurzer Spaziergang. Wir haben ein Ziel: Uns wurden die Spezialitäten von "Slagter Stig" an der Hauptstraße empfohlen. Mal schauen, was dieser gut beleumundete Fleischer so anbietet! (Guckt mal ab Minute 08:00)
Wir haben vor, einen kleinen Imbiss zu nehmen und wir haben zu Hause sogar die Speisekarte studiert. Aber was nun? Die heiße Theke ist abends außer Betrieb und das Lokal bis auf den letzten Stehplatz besetzt. Auf unsere Frage nach einem freien Tisch, hinten im Restaurant, ernten wir nur ein mildes Lächeln. Heute ist Samstag, schaut euch um! Aber wir könnten gerne für Montag abends einen Tisch reservieren! Na gut, so machen wir das!
Hungrig stiefeln wir jetzt die kleine Hauptstraße mit ihren hübschen Läden und bunten Häuschen entlang.
Schau da vorne! Am Marktplatz "Torvet" entdecken wir ein kleines Diner und da stehen ein paar kleine Tische heraussen! Ja, da bleiben wir. Die Bedienung ist nett, das Fischfilet schmeckt sagenhaft lecker und wir fühlen uns am Straßenrand bei "Frederik VII." richtig wohl, auch wenn die untergehende Sonne die letzte Restwärme mit sich nimmt. Es wird kalt!
Müde stiefeln wir die paar Minuten zu unserer Unterkunft zurück. Es war ein langer und ereignisreicher Tag! Nach einem Glaserl Rotwein bei Kerzenschein auf unserem kleinen Balkon beenden wir den Tag. Das laute Trommeln schwerer Regentropfen aufs Dach begleitet uns in tiefen und traumlosen Schlaf...
Tageskilometer: 190 km
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