1. Tag: Wien - Hamburg
Wie haben wir diesen 1. Juni herbeigesehnt, denn heute gehts endlich los! Gestern war ein Feiertag und so haben wir schon das Gepäck aus den Kästen geräumt und die Motorräder geputzt und kontrolliert. Heute müssen wir nur mehr packen! Aber zuerst mal spazieren wir auf ein gutes Frühstück, denn der Kühlschrank ist schon leergeräumt. Wir vertrödeln einige Zeit, denn fürs Packen und Beladen der Transalps brauchen wir nicht lange. Eh klar, dass wir schon um 14:00 mit allem fertig sind und der Autoreisezug (ARZ) Wien-Hamburg fährt erst um 20:30! Au wei!
Wir trinken noch einen Kaffee und beschließen um 17:40, dass wir jetzt losfahren. Schwül ist es, unangenehm warmfeucht bei 27°C, als wir uns nach 7 km in der Wartespur des Autoreisezugs aufstellen. Heute sind viel mehr Motorradfahrer da als voriges Jahr, aber die wollen alle nach Verona. Wir beobachten die heißen Diskussionen der ungarischen Fahrer mit dem Typen, auf dessen oranger Warnweste das Wort "GUIDE" prangt. Ah, eine Gruppenreise! Nein, das wäre nix für uns!
Vor uns steht ein netter deutscher Biker aus "PLÖ" und wir kommen ins Gespräch. Während es zu nieseln beginnt, schildert er die Schönheiten des Großen Plöner Sees und empfiehlt uns eine Reise dorthin. Noch wissen wir nicht, dass wir in 3 Wochen bei seinem Zuhause vorbeifahren werden...
Kurz bevor uns langweilig wird, beginnt die Verladung. Es ist pünktlich 19:30, als wir in die unfassbar niedrigen Stahlwaggons rumpeln. Angelika hat ihren Tankrucksack auf den Rücken geschnallt, um sich weiter nach vorn beugen zu können. 1,55 m Höhe ist zuwenig, um halbwegs würdevoll zu fahren, abzustellen und seinen Kram zusammenzusuchen! Und erst das Absteigen!
Aber wir erinnern uns schnell, wie das geht und irgendwie ist es auch vertraut. Die Stahltraversen nur Millimeter über unseren Köpfen machen uns heuer weniger Angst! Beim Verzurren bleibt Didi bei den Motorrädern, denn manche Verladearbeiter wissen offensichtlich nicht, dass ein Blinker, Kabel oder Verkleidungsteile keine guten Stellen sind, um mittels Zurrgurt den 160 km/h Höchstgeschwindigkeit zu trotzen!
Als wir dann unser "Double de Luxe" - Abteil aufsuchen, sehen wir, dass wir den gleichen Zugbegleiter wie voriges Jahr haben. Das ist aber nett! Ausserdem wissen wir schon, wie das hier läuft und so ist alles schon sehr entspannt, als der NJ490 langsam Wien verlässt. Wir melden unsere Frühstückswünsche, nutzen die private Dusche, trinken den Prosecco aus dem Geschenkspaket im Abteil und während wir an unserem zweiten Zuhause Linz vorbeifahren, essen wir das ziemlich gute Gulasch mit Nockerl! Aber erst nachdem Angelika sorgsam alle Lüftungsschlitze mit Gaffa verklebt hat, denn im Abteil bläst eine kalte Brise. Wir lieben diesen Luxus im Zug, auch wenn die ÖBB Apothekerpreise dafür aufruft (2x 189.- für uns + 2x 99.- für die Motorräder)!
Um Mitternacht rauchen wir am Bahnsteig in Passau eine Gute-Nacht-Zigarette und beobachten die umfangreichen Grenzkontrollen der deutschen Polizei im Zug. Wir sind froh, dass diese beruflichen Themen die nächsten 4 Wochen nicht die unseren sein werden... Als es weitergeht, klappen wir die Betten herunter. Anders als im Vorjahr fallen wir ziemlich schnell in einen tiefen Schlaf. Um 7:00 wird uns der Zugbegleiter mit Frühstück wecken, dann werden wir schon in Hannover sein...
2. Tag: Hamburg - Kiel
Die innere Reiseuhr weckt uns schon um 6:30 auf! Wir bauen das Abteil von Schlaf- zum Esszimmer um und schauen aus dem Fenster. Es regnet, es ist trüb und grau und die wenig attraktive Landschaft passt gut zum Gesamteindruck.
Aber wir haben eigentlich fein geschlafen und das kleine Frühstück bei Hannover schmeckt auch ganz gut! Als wir in den 1906 konstruierten und wirklich beeindruckenden Hamburger Hauptbahnhof einfahren, schlüpfen wir in die Motorradsachen und räumen unser Klump zusammen. Gleich sind wir da!
Pünktlich um 9:05 fahren wir in Hamburg-Altona ein. Es regnet immer noch, bei milden 19°C. Wir haben uns noch nicht zurechtgefunden, als uns Heike schon am Bahnsteig entgegenläuft. Ja, es hat funktioniert - unser vereinbartes Treffen beim ARZ, auf einen Kaffee zum Reisebeginn! Aber zuerst müssen wir die Motorräder freikriegen, eine Landkarte von Dänemark besorgen und raus aus den quälend niedrigen Waggons und quer durchs Einkaufszentrum fahren. Immer wieder verrückt!
Wir geraten kurz in Stress, während Angelika bei "Press & Books" vergeblich eine dänische Landkarte sucht und Heike schon wartet. Aber dann ist alles geschafft und wir lassen uns gemütlich bei Köz Urfa nieder. Oh wie schön ist es, wieder hier zu sein! Wir haben es dann sehr nett und erzählen einander von den Reiseplänen, denn auch Heike ist gen Norden unterwegs.
Am Nachmittag brechen wir dann auf. Ein locker geplantes Treffen mit deutschen Verwandten hat leider nicht geklappt, also gehts los! Wir haben uns eine Route aus Hamburg zurechtgelegt, über die B4 "Kieler Straße". Der Name gefällt uns! Am einen Ende der ARZ und am anderen Ende wohnen liebe Menschen. Perfekt! Ausserdem hat es zu regnen aufgehört.
Unser schöner Plan geht aber ziemlich schnell schief: rund um "Hamburg Stellingen" eine Mörderbaustelle und Stau! Aber über winzige Nebenstraßen durch eine Gartensiedlung können wir die Himmelsrichtung beibehalten und schaffen es auf der B4 aus der Stadt.
Es ist eine eigenwillige Schönheit, die sich hier in Schleswig-Holsteins Landschaft offenbart. Das Land ist platt, aber leicht wellig und der endlose Horizont ist begrenzt durch kleine Wäldchen. Der Blick findet immer etwas, um sich festzuhalten und seien es die vielen wunderbar gepflegten Pferde, die man hier offensichtlich gerne hält. Die Landschaft vermittelt eine etwas träge und unaufgeregte Ruhe.
In Bad Bramstedt kommt die Sonne heraus, das ist toll! Uns fallen die ungewohnten Dachkonstruktionen auf. Die dunklen Dächer scheinen für die Häuser viel zu groß. Wie wenn man niedrigen Häusern überdimensionale Hüte aufgesetzt hätte! Wir finden diesen Anblick belustigend! Und fast jedes Haus ist aus roten Backsteinen gebaut, was den Dörfern ein für uns fremdes und vielleicht abweisendes Antlitz gibt.
In Bordesholm ist längst Sommer mit 25°C und die Ufer des Einfelder Sees sind an diesem Samstag gut besucht! Noch ein paar leicht kurvige Kilometer über die L318 und den Molfsee und wir haben Kiel erreicht. Jetzt aber treibt uns der Hunger, das Zug-Frühstück ist lange her! In Neumünster haben wir zwar getankt, aber vorsorglich keine Jause genommen.
Wir lieben es, dass wir uns in dieser wunderhübschen Hafenstadt schon auskennen und so bremsen wir unsere Transalps mit Schwung direkt vor dem Gastgarten von "Gosch" am Hafen. Wow, hier ist Samstag nachmittags was los! Die sonnigen 28°C, die Eisbuden, die Segelboote an der Hafenkante - das alles vermittelt ein Gefühl von "im Süden" und wir sind begeistert!
Endgültig grandios ist aber, dass wir Svenja und Claudia heute treffen können! Wir mampfen glücklich unsere Backfischbrötchen, als uns die Warnung von Svenja erreicht "Aber esst nicht zuuu viel..!"
Aber zuerst mal in unser Hotel, Transalps in die Tiefgarage stellen und duschen. Es ist - wie voriges Jahr hier - sommerlich heiß! Wir versuchen, die Spuren der anstrengenden Zug-Nacht und der Hitzefahrt etwas zu verwischen und spazieren dann los.
Wir finden Kiel auch beim zweiten Mal wunderschön, die beiden kleinen Seen mitten in der Stadt verleihen dem Ort etwas Beruhigendes und Entspanntes. Und dann läuten wir auch schon an der Tür der "Godmother of Endurowandern" (©Eggi).
Sind erste Treffen mit Internetbekanntschaften manchmal etwas befangen, so ist es diesmal schon ganz vertraut, als Svenja öffnet und wir uns lange umarmen. Wir sind begeistert, dass auch Claudia Zeit gefunden hat und auch Pieps ist ganz brav, nachdem wir ihren Kleiderschrank gebührend bewundert haben. ;-) Der gute Grill dampft schon engagiert, als wir uns am Balkon niederlassen und die großen Seemöwen über den Häusern kreischen laut und für uns klingt das nach Fernweh und Urlaub...
Wir sind ziemlich still, als wir weit nach Mitternacht ins Hotel zurückgehen. Das war ein ganz besonderer Abend! Wir haben nicht nur fantastische Würstl verschiedener Art und gutes "Schöfferhoffer", Bier und Blanchet und leckere Kleinigkeiten verdrückt. Wir hatten auch die wunderbarsten Gespräche mit zwei warmherzigen Menschen über das Motorradfahren, vergangene und kommende Reisen, erlebte und erlittene Erfahrungen und so viel mehr. Bei insgesamt ~230 Lebensjahren kommt einiges zusammen...
Oh, wir freuen uns schon auf eine nächste Gelegenheit, bei der die gemeinsame Zeit wieder zu kurz gewesen sein wird! Wir wissen heute noch nicht, dass das schon sehr bald sein wird...
Tageskilometer: 105 km
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