5. Tag: Langres - Bourbon-Lancy

Wir haben so tief und fest geschlafen, dass wir schon vor dem Wecker um 7:00 Uhr aufwachen und die hölzerne Treppe hinabklettern. Die Nacht im Zelt war großartig! Wir haben zwar den kleinen Heizlüfter gebraucht, der im Zelt bereit stand, aber das störte uns nicht. Es war schon eine außergewöhnliche Erfahrung, im lauten Geplärr der Kröten einzuschlafen und vom Gebrüll der Singvögel aufzuwachen. Man schläft im Zelt doch fast wie draußen!

Als wir im Waschraum das Notwendigste erledigen, beobachten wir, dass da drüben Svenja schon ihr Zelt auf die kleine Honda zurrt. Jetzt aber schnell! Wir sind zum Frühstück verabredet! Unser Zeug ist schnell in den Rack-Packs verstaut und schon rollen wir zum Restaurant bei der Rezeption.

Dieser Campingplatz bietet nicht nur Brötchenservice. Nein, hier kann man ein ganzes Frühstück vorbestellen! Svenja erwartet uns schon morgenfrisch strahlend an unserem liebevoll eingedeckten Tisch und es gibt eine Menge köstlicher Dinge!

Wir plaudern, lachen, diskutieren und haben so viel Spaß! Die Sonne scheint vom azurblauen Himmel und es hat angenehme 20°C. Einfach der perfekte Urlaubsmorgen! Angelika tauscht mit Svenja ihren Schinken gegen das Joghurt und Didi hält sich an die Käsevariation. Nur die drei knackigen Äpfel, die stecken wir ins Gepäck. Notration für später. Man weiß ja nie.

Wir versuchen, den Abschied ein wenig hinauszuzögern, aber es gilt noch eine ganze Tour zu fahren! Wir vereinbaren, dieses wundervolle Reiseerlebnis von vertrauter und warmherziger Freundschaft bei Gelegenheit zu wiederholen. Noch ein letztes Foto, eine letzte Umarmung ("Fahrt vorsichtig und noch eine schöne Reise!") und schon klettern wir auf unsere Motorräder.

Um 10:15 Uhr tuckern wir gemeinsam unter dem geöffneten Schranken hinaus nach Frankreich. Svenjas "Arrow Titan"-Auspuff lässt niemanden im Camp über unsere Abfahrt im Unklaren. Spätestens jetzt sind alle wach. Tschüss, Hautoreille, wir kommen wieder! Benjamin winkt zum Abschied.

Obwohl wir natürlich nicht dieselbe Tour fahren, haben wir die ersten Kilometer bis Langres gemeinsam. Es macht Spaß, nebeneinander her zu fahren! Voller Urlaubsfreude grinsen wir einander durch unsere Helmvisiere breit zu. Bei einem kleinen Kreisverkehr hupen wir zum Abschied und Svenja verschwindet winkend hinter der nächsten Kurve.

Wir wären ihr besser gefolgt, denn aus unerklärlichen Gründen wählen wir die falsche Ausfahrt und es wird letztendlich ein 20 Kilometer langer Umweg, bis wir an der wuchtigen Zitadelle vom Langres vorbeituckern. Macht nichts! In dieser schönen Landschaft tut verfahren nicht weh!

Weil wir doch ein wenig Zeit liegen gelassen haben, nehmen wir jetzt für ein kleines Stück die A31-Autobahn. Der Mautautomat fordert nur 1,50 EUR pro Fuhre und das ist für 40 Kilometer nicht viel! (Wenn man die italienische Autobahnmaut gewohnt ist...)

Wir geben Gas und düsen durch die Wälder eines Nationalparks. Es ist schön zu fahren, sogar für eine Autobahn! Bei Til-Châtel biegen wir raus auf die D974. Auf einer ewig langen Geraden über weite Ackerflächen, die keine Ende zu nehmen scheint, umfahren wir Dijon. Auf dieser Reise wollen wir keine Städte besuchen, uns geht der massive Verkehr schon zu Hause auf die Nerven!

Spätestens bei Messigny-et-Vantoux kurven wir wieder durch dichte Laubwälder. Die Straße ist einspurig, ein schmaler Güterweg! Wir fahren hochkonzentriert, denn Frankreich ist Radfahrland. Hinter jeder uneinsehbaren Kurve treten eifrige Sportler in die Pedale. Uns ist heiß geworden! Das Außenthermometer im Cockpit kündet von 31°C.

Wie gut der Schatten tut! Die zügige Fahrt durchs dicht bewaldete und enge Tal Val-Suzon bringt erhebliche Erleichterung!

Malerisch windet sich die kurvenreiche Straße D16 den kleinen Fluss entlang. Wir sind nun 100 Kilometer gefahren und Didi wedelt das Handzeichen für "Kaffeepause". Doch Angelika sucht längst die Gegend nach einem kleinen Café oder einer Bar-Tabac ab. In den winzigen Dörfern mit wenigen Dutzend Einwohnern gibt es nichts!

Doch, da vorne! Siehst du die steinerne Kirche? Dort gibt es sicher einen schönen Pausenplatz! Schon kurven wir durch das uralte Saint-Seine-l´Abbaye und können uns an den kleinen Häuschen aus grauem Stein nicht sattsehen.

Bei der Kirche werfen wir Anker und rollen auf den winzigen Hauptplatz. Ein Café! Ganz lauschig unter uralten Bäumen entdecken wir ein paar wackelige Tische, an denen auch schon eine Handvoll Leute sitzt. Endlich Schatten! Es hat heiße 32°C. Wir hocken unter einer uralten Dorflinde, wie es sie traditionell auch bei uns einmal gab und natürlich steht auf dem Straßenschild "Platz der Linde", um die Wichtigkeit dieses Baumes zu unterstreichen.

Die Biker aus England grüßen nicht ´rüber, als wir Kaffee und Kuchen und kalte Getränke bestellen. Im "Sur la Seine du Vin", diesem kleinen Weinlokal, wird noch alles selbst gemacht und von der stolzen Besitzerin liebevoll serviert. Was für ein schöner und sehr französischer Ort! Es ist wunderbar, hier zu sitzen und die 800 Jahre alte Kirche zu betrachten, die das kaum 350 Einwohner zählende Dorf dominiert.

Wir können leider nicht so lange bleiben, wie wir wollen! Doch bevor wir weiterfahren, werfen wir noch einen Blick in die im Mittelalter wichtigste Klosterkirche Burgunds. Wuchtig und beeindruckend steht sie da und im Inneren ist es fantastisch kühl!

Bevor wir auf die Transalps klettern, haben wir noch etwas höchst Profanes zu erledigen. Was für eine geniale Entdeckung, die wir noch öfters machen werden! Kostenlose, gepflegte, gut beschriftete und frei zugängliche Toiletten am Hauptplatz. So etwas gibt es bei uns nicht, hier jedoch in jedem winzigen Ort. Großartig!

Über die kurvenreiche D16 verlassen wir den Talkessel und das schattig-waldige Val Suzon. Es geht auf weit geschwungenen Kurven über eine Hochebene bis Sombernon. Uff, hier ist es heiß! Wir lassen die Transalps einfach dahinlaufen. Rundherum wuchert fruchtbares Grün und schwerduftender Raps und über uns kreisen - wie in den letzten Tagen - zahlreiche Greifvögel auf Beutesuche.

In Sombernon werden wir von einer Polizeikontrolle empfangen. Also nicht wirklich, aber die zwei Beamten in schmucken Uniformen winken uns freundlich, als wir schwungvoll einen Kreisverkehr nehmen. Nur ganz kurz denken wir an unsere so fehlenden wie verpflichtenden "Crit Air"-Umweltplaketten.

Aber für die sind unsere betagten Hondas zu alt. Außerdem halten wir diese Vorschriften, ebenso wie irgendwelche Reflektorkleber am Helm oder CE-Zeichen im Handschuh, für einen Mythos: Noch nie hat uns in Frankreich irgendwer danach gefragt! In deutschen Facebook-Gruppen wird heftig über die Anschaffung von diesem Zeugs gestritten, doch uns ist diese German Angst vollkommen fremd. 

Auf der engen D977 geht es nun südwärts. Der schmale Weg schlängelt sich durch Wälder, über fruchtbare Wiesen, Talrücken entlang und manchmal ist der Straßenrand überraschend felsig. Was für eine einsame Gegend! Außer ein paar ehrgeizige Radfahrer treffen wir hier niemanden.

Die erste kleine Siedlung ist Commarin. Wir bollern langsam an gelbsteinernen Häusern vorbei und bewundern die Sauberkeit in diesem Ort. Hier könnte man vom Boden essen! Die Leute hier schauen wirklich auf ihr Dorf, hier hat jeder seine Sachen in Ordnung. Am Ortsende wartet eine Überraschung auf uns. Fast hätten wir es übersehen, aber schau rechts!

Ein gewaltiges Schloß steht am Rande des Orts, umgeben von einer wunderbaren Gartenanlage und einem schmiedeisernen, schmucken Zaun. Uns ist zu heiß für eine Besichtigung, aber wir versuchen, ein paar Fotos zu knipsen. Erst zuhause werden wir lesen, dass dieses 800 Jahre alte Schloß tatsächlich von der Gründerfamilie bewohnt wird. Die Herzöge von Burgund leben hier in nunmehr 26. Generation!

Wir haben noch 100 Kilometer vor uns, also geben wir jetzt Gas. Wir schwitzen in unsere Motorradsachen, als wir im kleinen Arnay-le-Duc kurz Pause machen. Wir müssen tanken und schauen uns um.

Die 1600-Seelen-Gemeinde gibt es auch schon seit 2000 Jahren und manche der steinernen Häuser benötigen dringend einen neuen Anstrich. Aber es ist dieser dekorative Verfall, der in Frankreich bei vielen Dörfern den Charme ausmacht! Ein Effekt, der auch in Venedig für Touristenströme sorgt.

Auf der D681/D981 geht es zügig dahin. Die Kurven werden weniger, die Besiedelung auch. Am Südrand des "Naturparks Morvan" ist nicht viel los! Es ist geradezu meditativ, die Hondas gleichförmig dahinbollern zu lassen. Ab und zu ein dichtes Mischwäldchen, ab und zu ein Bauernhaus. Hier blickt man rundherum weit bis zum Horizont.

Offenbar gefällt nicht nur uns das, denn immer häufiger treffen wir Motorradfahrer, die alle ausnahmslos ´rübergrüßen. In Österreich stirbt diese Geste langsam aus. Sind wir zu unfreundlich? Oder einfach zu viele?

Seit Luzy ist die Strecke nun kurvenreicher und ebener! Wir lassen die Transalps mit 80km/h Höchstgeschwindigkeit dahinfliegen. Seit wenigen Jahren haben die Franzosen - wie auch die Skandinavier - das erlaubte Tempo gedrosselt. Uns ist das nur recht! Wir brauchen nicht mehr Geschwindigkeit, um zu genießen, zu filmen, zu fotografieren und zu schauen. Seit unserer ersten Nordkapp-Reise ist das unser Reisetempo auf kleinen Landstraßen. Hat sich bewährt, kann bleiben.

Es ist genau 16:40, als wir in Bourbon-Lancy eintreffen. Was für ein Name! Fast müssen wir uns zwingen, ihn französisch auszusprechen, denn er hat mit amerikanischem Whiskey nichts zu tun! Aber wo ist nun unser Campingplatz?

Wir schon so oft zuvor spielen wir einen einfachen Trick. Wir suchen in Googlemaps einen markanten Ort neben der Unterkunft, irgendetwas, das gut mit Straßenschildern gekennzeichnet ist. So finden wir jedes Quartier auch ohne Navi!

Nun folgen wir also den Schildern zum Casino. Nur wenige Augenblicke später rollen wir einen kleinen See entlang, an der örtlichen Spielhölle vorbei und bremsen direkt vor der kleinen Rezeption des Campingplatzes...

Später kochen wir Kaffee und Travellunch und nutzen die guten Duschräume und dennoch will keine rechte Stimmung aufkommen.

Liegt es am wundervollen Platz in Hautoreille gestern abends und am direkten Vergleich? Oder einfach an den ungehobelten Radfahrcampern, dem uninteressierten Empfang oder an der unfassbaren Hitze in der Hütte? Dieser Campingplatz ist eine Enttäuschung und wir brauchen lange, um hier zur Ruhe zu kommen. Morgen sind wir schon im Puy-de-Dôme, in der Auvergne!

Tageskilometer: 250 km

Hier geht die Reise weiter: >> klick

Ein toller Start in einen gemütlichen Fahrtag!

zelt

die erste nacht im zelt? na das muss ja ungewohnt gewesen sein! danke für eure lustige erzählung!
der rider

Antw.:zelt

Das war sehr ungewohnt aber auch sehr schön!
Danke für das Lob!

Schön

Eine wunderschön emotionell erzählte Reise! Danke!
LG Martina

Antw.:Schön

Danke für das Kompliment!

Eine besondere Burg

< Das Gebrüll der Singvögel
*lach* Ja, das trifft es gut. Und das schon im Licht der ersten Morgendämmerung um kurz nach vier. Hmpff...
Das Etagenzelt in Hautoreille ist wirklich eine Klasse für sich. Das Frühstück aber auch :-)

Das Foto mit dem Blick auf Langres in der Ferne auf dem Hügel schau ich so gerne an. Wetter für einen perfekten Reisetag.

Das Foto von Didi im Café, glücklich unter der großen Linde sitzend, das mag ich. Und der Tisch ist doch wohl genial, so wunderbar zusammengewürfelt alles und dabei so authentisch. In Deutschland werden die Cafés immer mehr klinisch einheitlich, weil sich wohl alle aus dem selben Gastro-Katalog bedienen.

Und dann eine Premiere: Ein Schloss am Wegesrand, das NICHT besichtigt wird. Ein First für die Kulturreisenden. :-)))

Ich bin auf den nächste Reisetag gespannt und hoffe, dass ihr dann wieder ein hübscheres Camp erwischt.

Herzliche Grüße aus Kiel
Svenja
...und Pieps, näh?!

Antw.:Eine besondere Burg

Das war so ein schöner Start in den Urlaub und so besonders!
Diese winzigen Cafés sind in Frankreich unser Sehnsuchtsort. Wir sitzen dort so gerne im Schatten bei einem Kaffee. Dieses war ganz besonders schön!
Das First? Du merkst aber auch alles. :-))) Ja, dieses Schloss stand nicht am Plan und dann war uns zu heiß. Obwohl sie sogar ein Café gehabt hätten ... *hmpf*

Die Campingplätze waren Licht und Schatten. Wie immer!

Die liebsten Grüße kommen aus Wien
Geli

Cafe

Ein supertoller gemütlicher Fahrtag mit einem Cafe als Höhepunkt. Ihr habt diesmal so richtig Urlaub gemacht, oder?
LG TinA

Antw.:Cafe

Ja, die ganze Frankreichreise hat sich wie Urlaub angefühlt. Weniger Abenteuer aber mehr Urlaub. Das liegt wohl an Frankreich und den Franzosen... :-)
Geli

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zuletzt aktualisiert am 17.4.2024