14. Tag: Jerup - Thisted

Wir frühstücken im Sonnenschein auf unserer Terrasse und freuen uns über trockene 20°C. Über unseren Köpfen kreisen dressierte Brieftauben in hohen schwungvollen Bögen, die immer wieder zu ihrer Futterstelle führen. Unser norwegischer Vermieter züchtet und trainiert diese Tiere und wir sind begeistert über die eleganten Flugkünste der Vögel, die - für uns überraschend - auf ihre mögliche Freiheit verzichten.

Schnell noch unser Zeug zusammensuchen, das kleine Appartment wischen und um 10:15 sind wir startbereit! Es geht nur ein paar Meter auf der schnurgeraden R40 und schon biegen wir mitten im Ort Jerup scharf links ab. Wir wollen Dänemark auf möglichst schönen Wegen von Ost nach West durchqueren!

Am Ortsende tuckern wir am Staatsgefängnis Kragskovhede vorbei. Die hübschen leuchtend gelb gestrichenen Bungalows sind nicht als Justizanstalt zu erkennen, kein Schild weist auf diese Institution hin! Ahnungslose meinen eher, an einem Schulgebäude oder einer größeren Firma vorbeizufahren, so säuberlich sind die Wiesen gepflegt und so schmuck sieht das Statsfængslet aus!

Über unendliche Getreidefelder und Weideflächen und durch winzige Wäldchen führt die schmale Straße, die wir äußerst diszipliniert mit höchstens 80 km/h dahinbollern. Oh, wir wissen mittlerweile, wie schnell man in Dänemark unterwegs sein darf! Würden wir österreichisches Tempo fahren, riskierten wir eine Buße über 300 Euro! Pro Person! Nö, dieses Risiko zahlt sich nicht aus. Ausserdem finden wir es schön, die Hondas so gemütlich dahinrollen zu lassen.

In der Nähe von Vogn und Mosbjerg führt die Straße unbemerkt leicht bergauf und bergab. Es ist eine schöne Gegend, in der offenbar viele Kunsthandwerker leben! Kaum ein Privathaus ohne Galerie oder Verkaufsausstellung von Kunstwerken aller Art. Holz, Metall und anderes Allerlei wird zu monströsen Objekten verarbeitet, die in den Vorgärten auf Käufer warten.

Wir sind nun im geographischen Zentrum von Nordjütland und die Straßen werden eintönig. Schnurgerade bis zum Horizont zieht sich das Asphaltband der R35, nur um dahinter ebenso weiterzugehen. Doch kurz bevor uns langweilig wird, erreichen wir den Stadtrand von Hjørring. Wie allzu oft markieren zahlreiche Autohäuser sowie Burger King und Co den häßlichen Beginn einer Stadt. Die weitläufige Kleinstadt zählt zwar nur 25.000 Einwohner aber hier baut man einstöckig und deshalb brauchen wir doch eine gewisse Zeit, bis wir Hjørring durchquert haben.

"Løkken" steht auf dem Schild im kleinen Kreisverkehr. Das ist unsere Richtung! Nun geht es auf der R35/55 weiter gen Westen. Uns fällt ein weiteres Mal auf, dass es hier die verdammten "Speckgürtel" nicht gibt. Eine Stadt ist dann vorbei, wenn sie vorbei ist. Keine abgeranzten Industriegebiete oder kilometerlange Wege zwischen suburbanen Einkaufszentren, wie wir es in Österreich kennen.

Die Landschaft ist so dänisch, wie sie nur sein kann! Über das flache, aufgeräumte Land zieht sich die kleine Straße in sanften Schwüngen - wir wollen sie nicht Kurven nennen! - über unendliche Getreidefelder dahin. Ab und zu ein gepflegtes, weiß gekalktes Häuschen am Straßenrand. Plötzlich steigt Angelika spontan in die Eisen und rollt auf einen kleinen Parkplatz am linken Straßenrand. Schau da drüben!

Wir stehen auf einer kleinen Anhöhe und gucken mit zusammengekniffenen Augen zur Küste hinüber. Da steht er! Deutlich erkennen wir am Horizont die Silhouette des Rubjerg Knude Fyr und der massiven goldgelben Wanderdüne, auf der er steht! Wir machen einige Fotos und freuen uns auf einen Besuch. 2018 waren wir schon mal da, aber da hatten wir einen Termin mit der Fähre in Hirtshals und nicht gebührend Zeit für den berühmten Leuchtturm im Herbst seines Lebens!

Fünf Kilometer später haben wir das malerische Dörfchen Lønstrup durchquert und stehen auf einem sandigen Parkplatz. Um Himmels Willen, was da heute los ist! Wir dachten fix, dass wir an einem Mittwoch mittags ziemlich alleine da sein werden. Aber weit gefehlt! Es dauert eine Zeitlang, bis wir die beiden schweren Transalps irgendwo zwischen zwei Autos quetschen können. Das größte Problem ist der weiche Untergrund, der den Seitenständern überhaupt keinen Halt bietet!

Die Helme bleiben am Motorrad aber die Jacken haben wir uns locker übergeworfen, als wir 30 Minuten lang den schmalen Trampelpfad zwischen Schafweiden und Dorngestrüpp Richtung Wanderdüne stiefeln. Der Leuchtturm scheint nicht näher zu kommen und schon diskutieren wir, ob der Aufstieg wohl steil und beschwerlich sein wird und ob wir das nicht überhaupt auslassen sollen...?

Doch schon stehen wir mitten im goldgelben Sand. Nö, jetzt aufgeben ist nicht! Es ist für uns so besonders, den enormen Berg aus Sand hinaufzusteigen. Bedächtig setzen wir Schritt vor Schritt und es geht besser bergauf, als gedacht. Es hat in den letzten Tagen etwas geregnet und die Düne bietet einen ziemlich festen Untergrund. Neugierig heften wir unsere Blicke auf den wunderschönen Rubjerg Knude Fyr, der nun hoch über uns in den Himmel wächst.

Das Schicksal des Leuchtturms und die Bemühungen der Dänen um ihr Wahrzeichen haben uns schon 2018 sehr berührt!
Ab 1900 tat er verläßlich seinen lebenswichtigen Dienst. Nur 10 Jahre später begann, unter ihm eine Düne zu wachsen, die in kürzester Zeit Teile des Anwesens des Leuchtturmwärters verschüttete. 1950 rückte man mit schwerem Gerät an, den ständig wachsenden Sand wegzuschaufeln aber 18 Jahre später war der Leuchtturm so verschüttet, dass er ausser Betrieb gestellt wurde!

Alle Versuche, den Sand zu stoppen, scheiterten kläglich. So entschied man sich 1990, die Düne einfach wandern zu lassen! Fein für die Rubjerg Knude, jedoch grub die Nordsee dem Leuchtturm ständig den Boden unter den Füßen ab und 2017 war es so weit: Der Turm drohte, ins Meer zu stürzen und wurde gesperrt.

Man überlegte, rechnete und diskutierte. Und entschied, das geliebte Wahrzeichen 80 Meter ins Landesinnere zu ziehen! Am 22. Oktober 2019 war es soweit! Der bescheidene Maurer Kjeld Petersen wurde mit dem Projekt beauftragt und am Ende des Tages stand der Turm unter dem Applaus von 25.000 Schaulustigen an seinem neuen Platz. Was für eine Show!

Letztendlich ist der Aufstieg leichter als gedacht und 150 Meter später stehen wir staunend am Gipfel der enormen Düne. Und "Düne" beschreibt es nicht ausreichend! Es ist eine unendliche Landschaft aus gelbem Sand und steilen Klippen, die 50 Meter senkrecht in die Nordsee fallen.

Wir schauen uns um. Mit einem klugen Kamerawinkel könnten wir jetzt Fotos machen und dann mächtig angeben, dass wir in Marokko oder sonst irgendwo in der Wüste wären! Wir sind begeistert, als wir eine Zeitlang da oben herumspazieren.

Der Leuchtturm ruht majestätisch auf dem ihm zugedachten neuen Platz und zahlreiche Touristen genießen die Aussicht von seiner Plattform ganz oben. Wir machen viele Fotos, auch von den Ruinen der verschütteten Häuser und des alten Standorts des Rubjerg Knude Fyr.

Jetzt stiefeln wir wieder bergab. Für eine ausgedehnte Dünenwanderung sind die Motorradstiefel ungeeignet. Kurz vor dem Parkplatz geht unvermutet ein Regenguss nieder, so dass wir uns unter eines der dürftigen Bäumchen ducken, die am Wegesrand immer zuwenig Schatten spenden. Es regnet kurz und doch ausreichend, dass wir unsere Sitzbänke trocken wischen müssen, bevor es um 13:30 weitergeht.

Schade, dass der Kiosk am Leuchtturm-Parkplatz nicht offen hat! Wir haben Hunger! Aus den Augenwinkeln erkennen wir ein paar hundert Meter später, dass der Imbiss beim Museum, bei dem wir 2018 schon Pause gemacht haben, geöffnet ist. Doch wir sind zu schnell vorbei und deuten uns mit Handzeichen, dass wir erstmal weiterfahren.

Die nächsten 40 km erscheinen uns genau so eintönig wie damals, als wir am Weg zur Fähre nach Hirtshals waren. An der Westküste ist das Land flacher und weniger abwechslungsreich als im Osten! Wir lassen die Hondas auf der R55 einfach dahinlaufen. Der nächste Ort heißt Åabybro. Vielleicht finden wir dort etwas zu essen?

Es ist heiß geworden und wir schwitzen bei sonnigen 25°C ziemlich in unser Motorradzeug, als wir am kleinen Hauptplatz der 11.000-Seelen-Gemeinde die Transalps an der Rückseite einer bunten Würstelbude parken. Wir wählen eine große Portion Bratwürste, während die leutselige Lisa ihr Strickzeug zur Seite legt und den Grill anwirft.

Während wir das leckere Mittagessen mampfen, kommen zahlreiche Arbeiter und Büromenschen vorbei. Manche nur für einen Plausch, manche auf ein kaltes Bier, manche um ihren Hunger zu stillen. Man kennt sich hier und die mütterliche Lisa ist der Star der Runde! (Später werden wir lesen, dass diese "Pølsevogn" seit genau 100 Jahren die Dänen mit schmackhaften Imbissen verwöhnen! Damals nahmen Lisas Vorgänger etwa 0,30 € für eine Wurst mit Senf und ein altbackenes "Rundstykker"...)

Die Dänen lieben ihre Wurstbuden! Wollt ihr ihnen helfen, dass die dänischen Wurstwägen UNESCO-Weltkulturerbe werden? Dann unterschreibt >>hier!

Heute ist einer jener Tage, an denen uns das meditative Dahinrollen über Dänemarks Ebenen langweilt. Es ist nicht jeder Tag auf Motorradtour gleich und heute macht uns das keinen Spass! Fast freuen wir uns über den bei Fjerritslev aufkommenden starken Wind, der ein wenig Abwechslung in die öde Fahrerei bringt! Wir lassen die Jammerbucht - die ihren Namen von sterbenden Seeleuten hat! - rechts liegen und wenden uns nach Süden Richtung Limfjord.

Oh, was ist da? Wir brettern gerade noch in Schräglage einen schnurgeraden Damm am Limfjord entlang, als wir rechts einen kleinen Parkplatz entdecken. Schwarzglänzende Rinder weiden mit nassen Füßen konzentriert in den sumpfigen Wiesen. Aber vor allem die zwei pittoresken schilfgedeckten Häuschen wecken unsere Aufmerksamkeit. Wir lesen, dass wir hier mitten in Vejlerne, Nordeuropas größtem Vogelschutzgebiet stehen!

Unter den Schilfdächern gibt es zahlreiche Fernrohre und sogar eine Multimedia-Show! Obwohl wir nichts davon verstehen, amüsiert uns das seltsame Federvieh, das hier vergnügt durch den Sumpf stakst und nach Futter sucht. Wir bleiben eine Zeit lang und geben erfahrene Vogelbeobachter. Tatsächlich genießen wir einfach nur, mal raus aus dem Sturm zu sein!

Die letzten 30 km des Tages halten wir stur Kurs auf Thisted, zwischen unendlichen Getreidefeldern immer am Limfjord entlang. Nur einmal gibt es eine kleine Abwechslung, als wir einen schnurgeraden und sehr schmalen Damm über den Fjord bollern und links und rechts auf das blitzblaue Wasser gucken können.

Um 17:00 haben wir es geschafft und rollen auf den Parkplatz des Thisted Camping. Angelika ist heute gesundheitlich etwas angegriffen und das schlägt sich auf die Seele. So beeilen wir uns, diverse Schwierigkeiten mit unserer einfachen Fjordblick-Hütte schnell zu lösen: Der Herd bleibt unbenutzt. Wir gehen in die Stadt essen!

Es ist noch warm und sonnig, als wir eine halbe Stunde lang den Limfjord entlang, an einer stinkenden Kläranlage vorbei in die Stadt latschen. Thisted enttäuscht uns. Wir finden es hier nicht besonders schön und es ist schwierig, abseits eines völlig überteuerten Luxusrestaurants etwas Essbares aufzutreiben. Um 19:00 ist hier längst alles geschlossen. Was ist los mit den Nordlichtern? Kein Café, kein Imbiss und die ganze Stadt scheint zu dieser frühen Stunde seltsam ausgestorben!

Mit Glück finden wir einen netten Tisch bei einem kleinen Lokal mitten in der Altstadt. Das Personal ist jung und unerfahren, macht dies aber durch Engagement und Freundlichkeit wieder wett und die Burger mit gebackenen Garnelen schmecken fantastisch!

Wir sind mit der Welt wieder einigermaßen versöhnt, als wir viel später zurück zu unserer Hütte latschen. Jetzt schalten wir erstmals die Heizung ein. Der Sturm hält an und es hat nur mehr 11°C...

Tageskilometer: 160 km

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Rubjerg Knude und eine beliebte Würstelbude

As danish as can be.

Es ist erstaunlich, dass es immer wieder Neues zu entdecken gibt, obwohl ich da doch auch gewesen bin. So z.B. das Staatsgefängnis und das Vogelhaus. Solche Kleinodien am Wegesrand sind schön, denn sonst kann Dänemark einem vielleicht doch langweilig werden, wenn man genug hat von den langen, geraden Strecken.

Oh ja, die Pølserbuden. Zur Hochsaison gibt es die sogar am Autostrand. Ein Trecker zieht die Bude unten am Strand entlang und die Badegäste kommen gelaufen und kaufen Hotdogs, Risted Pølser und Eis. Wenn jeder zufrieden ist, steigt der Hotdog Mann auf den Trecker und fährt ein paar hundert Meter weiter, wo sich dasselbe Schauspiel wiederholt. Das habe ich in manchem Sommer auf Rømø sehr genossen.

Möge es Geli morgen wieder besser gehen und möge die Strecke schön sein. Ich fiebere jedenfalls jedem neuen Reisetag mit.

Drück euch beide.
Svenja

Antw.:As danish as can be.

Ja, das haben wir gelernt: In Dänemark muss man die Augen offen halten. Die guten Dinge präsentieren sich nicht so auffällig wie zB in Norwegen! Aber es gibt genug zu sehen und dank des Zeitlupenfahrens versäumt man auch nichts. :-)

Pølsevogn am Strand? Boah, wie toll! Das wäre ja mein figürlicher Untergang! Ich liebe diese Bratwürste doch so!

Vielleicht wird es jetzt für dich spannend: Ab heute fahren wir "deine" Strecke gen Süden. Ob du etwas erkennst?

Drück dich!
Geli

Antw.:Antw.:As danish as can be.

Ob ich was erkenne?
*Bestümmt!*

Freu ich mich schon auf den Bericht :-)
Schönes Wochenende euch.

Reet

Moin, Moin,
Es amüsiert mich sehr als waschechte Nordfriesin, wenn ihr von Schilfdächer spricht :)
REETdächer heißt das!!

Antw.:Reet

Reet? Ja, diesen Ausdruck kennen wir auch, aber den verwenden wir nur, wenn wir mit Fremdsprachen angeben wollen. ;-)

Antw.:Antw.:Reet

Um es mit deinen Worten zu sagen :
Gnihihi (ist das jetzt auch Fremdsprache? Spreche ich das richtig aus?)
Wenn jau mol in' echten Norden kümmt gev ick jau n Plattdütsch-Kurs ut :))
Und auf Bezug zu Svenja : hot dog auf dem Strand auf Röm ist ein absolutes must have. Nur da schmecken sie wirklich!!!

Antw.:Antw.:Antw.:Reet

Na servas. Plattdütsch! :-)))

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zuletzt aktualisiert am 18.3.2024