Den heutigen Reisetag verbringen wir an Bord. Wir machen es nämlich wie die Norweger und nehmen die Hurtigruten als schnellste Fähre zwischen verschiedenen Häfen. Das hat sich schon oft bewährt! Erst morgen um 16:30 werden wir unseren Zielhafen Kristiansund erreicht haben!
Info: Die Hurtigruten als Fähre?
Die Hurtigruten fahren die klassisch-historische Postschiffroute, die von Touristen als "schönste Seereise" der Welt gebucht wird. Der Tromsøer Kapitän Richard With revolutionierte vor 125 Jahren mit regelmäßigen Fahrten zwischen Bergen und Kirkenes das Leben an der 2.700 km langen Küste Norwegens! Die Schiffe fahren 365 Tage/Jahr und versorgen die kleinen Dörfer mit dem Notwendigen für Tier und Mensch.
Obwohl die Hurtigruten heute Kreuzfahrtcharakter haben, sind es immer noch Transportschiffe, auf denen die Motorräder zwischen Möbellieferungen und Heuballen für Rentiere geschoben werden. Die Fahrt dauert 12 Tage, es werden 34 Häfen und über 100 Fjorde angelaufen. In jedem Hafen kann man das Ein- und Ausladen von Gütern beobachten.
So eine lange Kreuzfahrt ist nichts für uns. Doch wir nehmen die Hurtigruten wie die Norweger: Als schnellste Fährverbindung zwischen den Häfen. Kann man spontan mitfahren? Nein, das sollte man vorbuchen! (Oder man braucht Glück.) Für Personen ist immer Platz. Jedoch für Fahrzeuge ist - je nach Fracht - der Platz äußerst begrenzt.
Wir sind sehr spät schlafen gegangen, denn die Mitternachtssonne war so wunderschön! Außerdem wollten wir Stamsund nochmal "von oben" sehen. In diesem Hafen waren wir schon drei- oder viermal und irgendwie ist er uns wichtig. Bodø haben wir nicht mehr erwartet: Dort legten wir erst um 2:30 an.
Als wir aus dem Kabinenfenster gucken, ist es trüb bewölkt und das Schiff schaukelt doch erheblich. Wir haben ziemlich Seegang! Angelika frühstückt eine Handvoll "Influbene" in der dringenden Hoffnung, dass die rechte Schulter bis morgen Nachmittag gut ist. Dann wandern wir in bequemer Kleidung zum Frühstücksbuffet.
Wir kennen dieses Frühstück schon und trotzdem sind wir schwer beeindruckt, was hier geboten wird! Ein paar Meter kalte und ein paar Meter warme Speisen warten auf hungrige Gäste. Wir laden unsere Teller voll und finden einen schönen Fensterplatz. Jetzt machen wir es uns gemütlich!
Angelika hat ihr vorletztes "Scopoderm®"-Pflaster dieser Reise hinters Ohr geklebt und beobachtet dementsprechend entspannt den Seegang draußen. Eine ruhige Kreuzfahrt ist anders! Schau, der Globus! Während dem Frühstück überqueren wir den Polarkreis!
Während zahlreiche Passagiere zu den Fenstern und ins Freie eilen, frühstücken wir unbeirrt weiter. Wie oft haben wir die 66°33'55'' schon überquert? Sicher 10x oder so, in verschiedenen Ländern. Ein kleiner Globus auf einer Schäre im Nirgendwo kann uns nicht mehr beeindrucken.
Als wir um 10:30 in Nesna anlegen, holen wir uns eine warme Jacke und latschen wieder zu unserem Lieblingsplatz an Deck. Zwei deutsche Damen sitzen schon da und berichten eifrig von ihrer Reise. Sie haben den 10. und vorletzten Reisetag hinter sich, morgen in Trondheim gehen sie von Bord! Die beiden dürften zu intensiv mit Sekt darauf angestoßen haben. Ihre gute Laune schwappt schon über, skeptisch von den Ehemännern beäugt.
Irgendwann stromern wir durch das Schiff und gucken in den Shop, wo es neben grob gestrickten Wollsachen auch praktische Dinge für die Reise gibt. Angelika ersteht eine unangenehm medizinisch stinkende Schmerz-Salbe und reibt sich umgehend den rechten Arm ein. Jetzt riecht sie wie ein ganzes Spital, aber das lässt sich nun nicht mehr ändern. Hoffentlich hilft die Tinktur, denn die Zeit läuft!
Um 15:00 sind wir in Bronnøysund. Wir gehen mal von Bord, die Füße vertreten. Obwohl der Ort als historisch bedeutsam und charmant beschrieben wird, können wir nichts davon entdecken. Ob wir das Einkaufszentrum wieder finden? 2017 kaufte Angelika hier unglaublich warme Gummihandschuhe aus dem Fischerbedarf. Die besten Regenhandschuhe aller Zeiten! (Wenn sie durch ihre rauen Handflächen nicht die Transalpgriffe beleidigt hätten...)
Wie viele norwegische Hafenstädte ist auch diese nicht besonders schön. Die Häuser schmucklos und praktisch, die Straßen schnurgerade. Lustig aber ist das Schild, dass Bronnøysund als die Mitte Norwegens ausweist. Zum südlichsten Zipfel und zum Nordkapp sind es jeweils 840km Luftlinie!
Wir eilen zum Einkaufszentrum, denn es hat nur mehr 12°C und mit dem schneidenden Wind ist es noch kälter. Ein Kaffee im Freien scheidet aus! Wir kaufen ein paar praktische Dinge aus der Kosmetikabteilung und beeilen uns zurück zum Schiff. Die zweieinhalb Stunden Landgang sind wirklich kurz!
Wir sitzen wieder auf Deck 7 und trinken Kaffee. Die deutschen Kreuzfahrerinnen sind wieder da und wir haben das ein oder andere nette Gespräch. Das Wetter ist schlechter geworden, es wird langsam düster und heftiger Niesel schlägt gegen die Fensterscheiben der "Richard With". Auch der Sturm hat noch zugelegt, aber das kümmert uns jetzt nicht.
Es gibt Abendessen! Das Dinner ist zweifellos ein täglicher Höhepunkt dieser Kreuzfahrt und wir freuen uns auf seltene Spezialitäten in fünf Gängen. Weil Angelika über ihren schmerzvollen Zustand traurig ist, ersteht Didi um eine aussagekräftige Summe eine schöne Flasche Wein. Das weiße Tröpferl schmeckt hervorragend und das Menü auf den Hurtigruten ist sowieso eine eigene Nummer.
Wir wählen Lachs-Tartar und den Stockfisch aus Dragøy. Zum Dessert nimmt Didi - wie immer! - die Käseplatte. Angelika entscheidet sich - wie immer! - für das Süße: Bisquit mit Vanilleeis aus Svolvær. Es ist einfach großartig! Die Stimmung ist ruhig, angenehm gedämpftes Licht, irgendwo spielt leise Musik. Das fürsorgliche Personal bewegt sich lautlos und elegant zwischen den schön gedeckten Tischen.
Während dem exquisiten Dinner plaudern wir mit zwei Motorradfahrern. Wir vermuten sogar, dass man uns bewusst nebeneinander platziert hat! Die beiden Herren führen eine intensive Diskussion. Offenbar haben sie von der Reise Verschiedenes gewollt, die Erwartungshaltungen waren zu unterschiedlich. Nun sind sich sich uneinig, wie es weitergehen soll. Wir hören mitfühlend zu, können aber so gar keinen Rat geben. Diese Probleme hatten wir noch nie.
Es ist spät, als wir an Deck unseren Abschlusskaffee trinken. Angelika wirft noch eine Handvoll Schmerztabletten ein, bevor wir in die Kabine spazieren. Langsam bekommen wir Stress: Was immer da in der Schulter kaputt ist, es muss morgen gut sein! MUSS! Morgen um 16:30 starten wir wieder unsere Transalps!
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