Der TET Denmark

Für heute haben wir etwas Besonderes geplant: Eine Fahrt auf dem "TET Denmark"! Welche Assoziationen habt ihr zum TET? Jeder kennt die Bilderflut im Internet von Typen in nagelneuen Adventure-Jacken, die aussehen, als wären sie gerade aus einem Touratech-Katalog gefallen. Sie erzählen dir bei jeder Gelegenheit mit ernster Miene von ihrer „etappenweisen Weltreise“, während sie ihr Navi neu updaten. Oder sie posieren Grimassen schneidend und neben ihrem im Schlammloch versunkenen Motorrad, während einer im Hintergrund eine dramatische Seilbergung versucht. Schroffe Felsen am Straßenrand.

Wir sind ja bekanntlich keine Offroad-Fetischisten und fahren solche Pisten nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Dass wir auf dem Jotunheimvegen auf dem "TET Norway" gefahren sind, haben wir erst nachher erfahren. Diese Eitelkeit ist uns fremd.

Dass Dänemark so eine "Dirt Road" bietet, war für uns einigermaßen überraschend. Dänemark? Das klingt erstmal nicht nach Offroad-Abenteuer. (Auch wenn dem Vernehmen nach manche Strände an der Westküste zu wilden Enduro-Ausritten einladen.) Dänemark klingt nach hyggeligen Strandhäusern, ordentlichen Radwegen und Verkehrsregeln, die selbst ein Deutscher für übertrieben hält. 

Aber Dänemark hat seinen eigenen Reiz: Wer hier hofft, mit seinem 300kg-Schlachtschiff einfach mal durchs Land zu rasen, bekommt sehr schnell eins auf die Speichen. Von sehr höflichen, aber bestimmten dänischen Bauern. Hier "macht man so etwas nicht"! Hier benimmt man sich.

Man muss die Dänen einfach mögen: freundlich, zugewandt, hilfsbereit. Aber über 90% sind stolz auf ihre Wikingerabstammung und wehe, du fährst auch nur einen Meter auf Privatgrund! Der TET verläuft in Dänemark streng legal, da wird nicht mal über einen alten Karrenweg abgekürzt. Und das ist gut so. Es zwingt dich, die Route zu respektieren – und sie wirklich zu fahren, nicht einfach nur zu „erledigen“.

Heute ist einer dieser Morgen im Camp Møns Klint, an denen die Sonne schon so frech vom Himmel lacht, dass man eigentlich gar nicht anders kann, als sich auf etwas Großes vorzubereiten. Wir sitzen an unserem Terrassentischchen und mampfen die ofenwarmen Brötchen, die wir soeben von der Rezeption geholt haben.

Wir gucken von unserer Anhöhe auf den Platz, dessen Wiese vom heißen Sommer vertrocknet ist. Dieser Campingplatz irgendwo zwischen Ostsee-Rauschen und Möwenkreischen, den wir so liebgewonnen haben! Ein ruhiger und übersichtlicher Platz, nur eine Handvoll deutsche Wohnmobile, da drüben ein paar Dachzelte und ein Waschhaus, das uns nicht interessiert. WIr haben eine kleine Dusche in der Hütte!

Es ist schon längst Mittag, als wir uns ins Motorradzeug winden und mit den Transalps vom Platz rollen. Dänemark ist flaches Land, der Fahrmodus "Spaziergang" wäre der richtige, hätten die Leute von Honda unseren Transalp so etwas verpasst. Wer auf Serpentinen und dramatische Höhenmeter steht, ist in Dänemark falsch abgebogen. Aber das heißt nicht, dass es hier nichts zu sehen gibt – im Gegenteil! Zwischen sattgrünen Feldern, weiten Himmelspanoramen, dichten Wäldern und immer wieder kleinen Fjorden mit Segelbooten, die aussehen wie Postkartenmotive aus den 60ern, fühlt man sich schnell entschleunigt.

Wir wollen auf die winzige private Insel Langø, schauen was da los ist! Doch ein Fahrverbotsschild verhindert, über den schmalen Deich zu rollen. Sollen wir zu Fuß ´rüber? Dazu fehlt uns die Lust. Außerdem ist uns warm geworden. Bei 26°C fahren die Radler in kurzen Hosen an uns vorbei. Wir trinken ein paar Schluck aus der Kühlflasche und beobachten die stolzen Bootsbesitzer im winzigen Hafen am Ulvsund, wie sie ihre kleinen Yachten putzen.

Im Örtchen Langebæk beginnt der TET. Langsam rollen wir zwischen zwei kleinen Häuschen durch und es geht los. Eine schmale Straße windet sich quer übers Land Richtung Norden. Stensved, Tolstrup, Mern Sogn, Allerslev Sogn und Skibinge heißen die kleinen dänischen Dörfer, durch die wir jetzt langsam und aufmerksam kurven.

Jeder einzelne Ort scheint einem Bilderbuch entsprungen zu sein: Fachwerkhäuschen, Backstein, Blumen in jeder Fensterbank, und eine Ruhe, die so tief ist, dass man beinahe ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn der Auspuff etwas lauter röhrt. In einem dieser Orte, deren Namen für uns nicht korrekt auszusprechen sind, winken uns ein paar Kinder begeistert zu. Wir winken eifrig zurück, denn so will es das Gesetz.

Aber dann kommt sie doch – die erste legale Offroad-Strecke. Die Straße verliert den Asphalt, ein bisschen Gras in der Mitte, links und rechts hölzerne Zäune. Nicht spektakulär, aber hey, die Transalps dürfen mal Staub schnuppern. Für drei Minuten. Dann wieder Asphalt. Willkommen auf dem TET Dänemark!

Nach einigen Kilometern Landschaft erreichen wir Præsto Havn. Die Kleinstadt ist die erste ernstzunehmende Siedlung heute. Wir holpern die verwinkelte alte Kopfsteinpflasterstraße Richtung Wasserkante und paddeln die Hondas direkt vor einen Eissalon. Genau das Richtige an einem Sommertag wie heute! Während wir im Schatten eine angemessene Portion vom berühmten dänischen Soft-Is löffeln, schauen wir uns um.

Es ist ruhig und beschaulich hier. Mit dem gleichförmigen Plätschern der weißgestrichenen Segelboote im Præsto Fjord und dem Sonnenschein, herrscht eine fast mediterrane Atmosphäre. Es riecht ein wenig nach Meer. Ein Rudel Enten quakt aufgeregt und eilt geschlossen zu unserem Tisch. Sie hoffen auf ein paar Krümel der leckeren Waffeln und offenbar hatten sie schon öfter mal Erfolg.

Eigentlich wollten wir nur kurz rasten und den Hondas eine Pause gönnen (und uns gleich mit). Doch als wir aufstehen und die Helme schnappen, werden wir auch schon in ein Gespräch verwickelt – auf halb dänisch, halb englisch, mit viel Gestik und noch mehr Lachen.

Zwei lustige Typen gesetzteren Alters, selbst mit alten Maschinen unterwegs, erzählen von ihren Touren und wollen von unseren Erlebnisse hören. Langsam gesellen sich immer mehr Motorradfahrer zu uns. Wir nippen an einem schnell bestellten Cappuccino und fühlen uns sofort aufgenommen – als Teil einer verschworenen Gemeinschaft, die nur Motorradfahrer so richtig verstehen: eine Mischung aus Abenteuerlust, Verrücktheit und der Bereitschaft, auch mal frierend nass zu werden, wenns dafür nach Freiheit riecht.

Dass das Eisgeschäft ein bekannter Motorradtreff ist, wussten wir nicht! Wir haben eine gute Zeit mit den Kollegen und werden am Ende mit einem kräftigen Schulterklopfen und der Empfehlung verabschiedet, unbedingt „Mols Bjerge“ anzusehen – eine hügelige Region, die für dänische Verhältnisse fast schon als Gebirge durchgeht. Das kennen wir noch nicht. Das kommt auf die "bucket list"!

Etwas später verlassen wir die idyllische Kleinstadt mit ihren uralten Backsteinhäusern Richtung Osten. Wir haben auf der Karte einen Leuchtturm entdeckt, ganz in der Nähe. Wir schauen mal, ob der zu besichtigen ist! Kurz darauf finden wir uns inmitten von sanften Kurven, goldenen Feldern und zahlreichen Kuhherden wieder, die uns geruhsam und ein wenig gelangweilt nachschauen.

Ganz plötzlich endet der Weg zwischen hoch wachsendem Strandgebüsch auf einer Sanddüne. Ganz vorsichtig tuckern wir mit den Hondas über den weichen Boden und stellen den Motor ab. Das Holzhaus dort ist ein Leuchtturm? Wir hatten die in den Himmel ragenden hohen Türme an der dänischen Westküste im Kopf, als wir den Roneklint Fyr suchten!

Neugierig stiefeln wir näher und stören dabei zuverlässig einen Vogelbeobachter, der sich mit seiner Fotoausrüstung hinter dem nur vier Meter hohen Holzhäuschen versteckt hatte. Wir erklimmen ein paar Treppenstufen und betreten das Gebäude. Hier sind fantasievolle Bilder aus den "Englischen Kriegen" drapiert, als an dieser Stelle ein wichtiger Außenposten war. Die Zufahrtsstraße heißt heute noch martialisch "Batteri Vej".

Infobox

Das mächtige Dänemark besaß eine schlagkräftige Seeflotte, die den Engländern ein Dorn im Auge war. Die Briten befürchteten, dass Napoleon sich die Schiffe unter den Nagel reißen könnte und griffen das neutrale Dänemark an.

Nachdem die Hauptstadt Kopenhagen zerstört wurde, konnten die Engländer die dänische Flotte erbeuten. Mit ihren kleinen Schnellbooten verhinderte David allerdings das ungestörte Operieren Goliaths an den dänischen Küsten.

Der Krieg endete 1814 mit dem Kieler Frieden, in dem das tapfere Dänemark (nach der Niederlage des verbündeten Napoleon) gezwungen wurde, Norwegen an Schweden abzutreten.

Der winzige Turm brannte 2018 völlig ab, weil Bölleridioten vor Sylvester hier ein Feuerwerk veranstaltet haben. Es ist der liebevollen Restaurierung und Spenden der Bevölkerung zu verdanken, dass es hier vor kurzem wieder aufgebaut wurde und nun diese ruhige Bucht schmückt. Die Funktion als Leuchtturm wurde vor etwa 70 Jahren aufgegeben, als der letzte Wärter Niels Petersen seinen Job aufgab.

Wir spazieren ein wenig durch die Dünen und gucken hinüber an die Küste Seelands. Dort werden wir morgen hinfahren! Es ist ruhig hier, nur ab und zu schnattern irgendwelche Vögel miteinander. Die roten Beeren an den Sträuchern sind bunte Farbtupfer im wuchernden Grün der Sträucher.

Als wir genug gesehen und gerastet haben, brechen wir wieder auf. Über kleine verschlungene Feldwege und die stattliche "Königin Alexandrine Brücke" erreichen wir um 18:00 unseren Campingplatz. Beim winzigen "Dagli Brugsen" in Borre haben wir noch frisches Brot und ein paar Kleinigkeiten fürs Frühstück eingekauft.

Während wir beim Abendessen unsere in der Sonne glänzenden Transalps bewundern, schweifen unsere Gedanken ab – zu den Menschen, den Landschaften und den vielen kleinen Momenten, die diesen Tag so besonders machten.

Fazit des TET Dänemark?

Nein, Dänemark ist keine Herausforderung für die PS-Fraktion, nicht episch, kein großes dramatisches Abenteuer. Aber es hat Charme, Weite, Herzlichkeit – und eine ganz eigene Form der Motorradromantik. Zwischen Küstenwind, kleinen Begegnungen und butterweichen Landstraßen kann man sich herrlich verlieren – und wiederfinden. Wir jedenfalls haben unser Herz ein Stück weit an dieses flache, freundliche Land verloren.
Der TET Dänemark ist kein wilder Ritt durch Hochgebirge oder endlose menschenleere Steppe. Es ist ein Spiel mit Grenzen: zwischen Erwartungen und Realität, zwischen Tourismus und echter Ruhe. Und genau deshalb lohnt es sich! Auch ganz ohne Heldenfoto.

Tageskilometer: 122 km

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Der TET Dänemark

interessant

das ist eine wirklich schöne erzählung über das unbekannte dänemark. wieso ist das eigentlich kein typisches reiseland für motorradfahrer?

ihr räumt ganz schön mit der vorstellung eines TET auf. ich grinse während dem lesen.

danke für diesen bericht!
dlzg
der rider

Beste Story!

Das ist ungelogen eine der besten Stories, die ihr je veröffentlicht habt. Meine Güte, so gut geschrieben! Es bringt den Spirit of Denmark, named hygge, so gut rüber. Danke dafür.
Und das Foto der Transalps vor der Inselsperrung, so von schräg hinten, lässt mich jedes Mal wieder überlegen: Wäre das nicht auch das richtige - und einzige - Motorrad für mich? Frankreich in 2 Tagen hin?
Ich freu mich auf unser nächstes Dänemark.
Svenja

Antw.:Beste Story!

Dein Lob zählt viel! :-) Dänemark ist wirklich sehr besonders ... genau wie unsere Transalps.

Ob du dich mit rd. 50 kg mehr (also das Motorrad!) und einem Zylinder mehr anfreunden könntest? Für Langstrecke ist die Transalp wirklich eine Sensation. Aber auch Peer Gynt Vegen, Jotunheimvegen und sowas ist kein Problem...

Dänemark 2025 ist gebucht! ;-)

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zuletzt aktualisiert am 16.5.2025