Danke
Ein ungewöhnlicher Bericht von einer Motorradreise, aber ihr seid immer für eine Überraschung gut!
LG TinA
PS.: Ich warte sehnlich auf den Bericht aus Frankreich!
Der letzte Morgen auf der Insel hängt schwer in den Bäumen. Taufrische Nebelschleier ziehen über das morgenfeuchte Gras, als wir eine Tasse Kaffee anrühren. Das Häferl dampft vor sich hin, als wir schweigend unser Zeug zusammenpacken. Wir versuchen, die Zeit hinauszuzögern, doch wir müssen los.
Die kleine Hütte, die uns für ein paar Tage ein Zuhause war, steht still, fast so, als hätte sie verstanden, dass unsere Zeit vorbei ist. Unsere Motorräder warten schon gepackt vor dem Häuschen, geduldig wie treue Begleiter. Wir haben gemeinsam diese Insel umrundet, sind ihre schmalen Wege entlanggerollt, Sonne im Gesicht, das Rauschen des Meeres im Ohr. Jeder Kilometer ein Atemzug Freiheit. Wie es auf schönen Motorradreisen oft ist!
Und doch – jetzt, wo alles bereit ist, werden wir sentimental. Es ist dieses leise Ziehen, das man spürt, wenn man einen Ort verlässt, der einen mehr berührt hat, als man es beim Kennenlernen für möglich gehalten hätte. Nicht wegen großer Abenteuer. Die gibt es in Dänemark nicht. Sondern wegen der kleinen Dinge: das Zwitschern der Vögel am Morgen, das Knarzen der Holzbretter unter nackten Füßen, der Geruch von Kiefern und Meerluft, dänische Herzlichkeit. Dänemark hat unser Reisen schon vor vielen Jahren verändert.
Wir schließen die Tür der Hütte. Kein Knall, nur ein sanftes Klicken – wie ein Punkt am Ende eines Satzes, der noch lange nachhallt. Als wir die Motoren starten, sind wir wieder bereit für neue Erlebnisse. Wir fahren los im Wissen, spätestens in einem Jahr wieder hier zu sein.
Wir haben bei Maribo etwas entdeckt und da wollen wir jetzt hin. Dänemark ist das Land der kleinen Sehenswürdigkeiten, aber das hier ist der Beschreibung nach etwas ganz Besonderes...
Noch ein Blick auf ein prähistorisches Hügelgrab auf Møn und auf die dekorative Windmühle von Bogø und schon kurven wir auf die Autobahn.
Gerade Linien, gepflegter Asphalt, Wind von vorn. Es ist kein Ort zum Bleiben, nur ein Übergang – ein Rauschen aus Geschwindigkeit und Richtung. Auf dem Motorrad fühlt sich selbst das Kurze lang an. Jeder Lkw ist ein Sturm, jeder Tunnel ein kurzes Innehalten im Fahrtwind. Erst morgen wird es ernst und wir werden wieder 950 km nach Österreich fahren!
Wir haben die hohe Brücke bei Fanø hinter uns gelassen und schon verlassen wir die Autobahn wieder. Hier beginnt die eigentliche Reise. Kleine Schilder, die sich zwischen Feldern und Waldstücken verstecken. Der Himmel weit, die Straßen leer. Wir halten kurz beim uralten winzigen Bahnhof in Maribo. Er ist heute außer Betrieb, die Museumsbahn steht nur an bestimmten Tagen für Touristen unter Dampf. Es ist still hier. Nur ab und zu hört man das Brummen eines Insekts.
Jetzt suchen wir den Safaripark. Ein seltsames Versprechen mitten in Dänemark! Zebras hinter Weidezäunen? Elefanten in der dänischen Sonne? Es klingt verrückt, und vielleicht ist es das auch. Mit jedem Kilometer verschwindet der Lärm der Autobahn aus unseren Köpfen. Stattdessen das leise Dröhnen des Motors, das Singen des Sommers und wachsende Ungeduld über das, was gleich kommt.
Für uns Kinder war es ein grandioses Erlebnis, mit unserem Eltern durch den damals berühmten "Safaripark Gänserndorf" zu kurven! Strengste Sicherheitsmaßnahmen, strikt geschlossene Fenster, damit einem eine Giraffe nicht ins Auto sabbert oder Affen an den Haaren ziehen oder der Löwe sich über Dosenfutter freut. Da gab es auch Raubtiere, freilaufend!
Das ist über 50 Jahren her und der Safaripark ist schon lange Geschichte. Doch mit diesen Bildern im Kopf rollen wir nun eine lange Allee entlang und zum kleinen Ticketschalter. Eine freundliche Dame erklärt, wie das hier läuft und unsere Verwirrung könnte nicht größer sein. Mietauto? Gibt es nicht. Zu Fuß? Nein, warum denn? "Ihr fahrt da jetzt einfach hinein und bei den Raubtieren biegt ihr lieber vorher links ab."
Wir schauen uns an. Mit einem Motorrad durch einen Safaripark? Aber hier, irgendwo zwischen sanften Hügeln und gepflegter Wildnis, scheinen die Regeln weicher zu sein als im Österreich der 70er Jahre. Oder einfach mutiger! (Zahlreichen Studien zufolge sind 90% der Dänen stolz auf ihre direkte Wikinger-Abstammung!)
Einmal tief durchatmen und los gehts! Wir rollen unter dem wuchtigen Eingangstor von "Gut Knuthenborg" durch und halten noch einmal an. Kein lautes Brüllen, keine dramatische Musik – nur ein Schild mit der Bitte, langsam zu fahren und die Fenster geschlossen zu halten. Nur Fenster haben wir keine. Nur Helm, Goretex und Transalps, deren Motoren in die Sommersonne bollern. Wir versichern einander durchs geschlossene Visier, das jetzt wirklich probieren zu wollen.
Kaum sind wir ein paar Meter im Park, beginnt die Surrealität. Antilopen heben erstaunt die Köpfe, als wollten sie fragen, was wir hier verloren haben. Wasserbüffel beobachten uns gelangweilt. Eine Giraffe schaut von weitem, ruhig und überlegen. Ihr Hals wiegt sich im Wind, als hätte sie alle Zeit der Welt – und vermutlich hat sie Recht. Im Schritttempo und fast lautlos rollen wir den fein geschotterten Weg entlang durch den weitläufigen Park. (Danke an Honda, die neuen Transalps so dezent leise gebaut zu haben!)
Dann, hinter einer Biegung, wird es plötzlich still. Ein kleines Auto hat am Straßenrand angehalten und auch wir drehen den Zündschlüssel instinktiv einen Klick nach links. Kein Motorgeräusch, kein Wind – nur der trockene Klang von Schritten auf Schotter. Und da stehen sie: eine ganze Kamelherde! Hoch, braun, flauschig und völlig unbeeindruckt von unserer Erscheinung. Sie bewegen sich langsam, fast ehrfürchtig, als hätten sie beschlossen, den Weg für sich zu beanspruchen.
Wir warten und fotografieren hektisch. Wie reagieren Kamele auf Motorräder? Wir beobachten die Herde, die langsam näher kommt. Der Moment dehnt sich. Ein Tier kommt näher, sieht uns direkt an – nicht ängstlich, nicht feindlich, nur neugierig. Kurz bevor wir nervös werden, dreht es sich um und folgt seinen Kameraden. Wir rollen langsam hinterher, mitten durch die Herde. Keine Scheibe zwischen uns, nur der vibrierende Motor, pochendes Herz und das Gefühl, irgendwo dazwischen zu sein – zwischen Wildnis und Zivilisation, Abenteuer und Absurdität.
Obwohl wir einen bunten Plan in Händen halten, haben wir uns verfahren. Eine Herde gehörnter Paarhufer flüchtet entsetzt, als wir quasi durch den Hintereingang in ihr Revier einbrechen. Tut uns leid! Wir suchen doch nur das "Flintehuset"! Kurz vor den Raubtieren ("Biegt lieber vorher links ab!") haben wir das steinerne Häuschen entdeckt.
Früher ein Lustschlösschen für den Grafen, beherbergt es jetzt einen schattigen Gastgarten und ein Café. Wir bestellen "Sternschnuppen" und Kaffee. Wir sind tief beeindruckt von den Eindrücken und fast ebenso von dem Sandwich, das uns hier aufgetragen wird: Köstlichste Fischfilets auf knusprigem Toast, begraben unter einer bunten und essbaren Blumenwiese! Wir mampfen das mit Abstand allerbeste "Stjerneskud", das wir jemals bekamen.
Heute verrinnen die Stunden zähflüssig und das ist gut so! Wir haben keine Eile, als wir uns der nächsten Ecke des Parks widmen. "Zwischen den Giganten - Spaziergang durch die Urzeit" - den Dinosaurierpark schauen wir uns auch noch an!
Es sind nur ein paar geschotterte Kurven, vorbei an den konzentriert weidenden Elefanten bis zum Parkplatz. Die Motorräder stehen jetzt still in der Sonne. Nur das heiße Metall klickt leise. Jetzt ruhen sie auf dem Vorplatz eines Ortes, der älter ist als jede Erinnerung – zumindest im Herzen.
Ein Dinosaurierpark. Kindheit, Klischee, Kitsch? Wir wissen es nicht, vermutlich alles davon. Wir bemerken nur, dass wir leiser werden, als wir durch das Eingangstor treten. Nicht aus Respekt, sondern aus Instinkt. Als würde hier etwas schlafen, das größer ist als wir. Die Luft ist stickig-heiß, die dichten Pflanzen und der undurchdringliche Wald strömt schwüle Feuchte aus. Es sirrt, zwitschert, pfeift und heult aus dem Dickicht. Urwaldklima mitten in Dänemark als wir losstapfen!
Plötzlich keift uns eine Herde häßlicher Raubsaurier aggressiv an. Sie erinnern an wütende Dackel, wie sie sich nervös zwischen dem Buschwerk bewegen. Eine junge Mutter nimmt ihr Kind auf den Arm und geht rasch weiter. Zwischen Bäumen und Farnen, halb versteckt im Wald stehen die Saurier. Still, riesig, seltsam lebendig. Zu lebendig, stellen wir fest, als wir an den böse fauchenden Velociraptoren vorbeigehen. Ihre ruckartigen Bewegungen und der starre Blick sind äußerst unangenehm anzusehen!
Ein Triceratops liegt im Gras, als würde er ruhen. Kinder laufen kichernd vorbei, aber wir bleiben. Es ist, als hätte jemand vergessen, ihn zu wecken, so lebendig wirkt er. Oder vielleicht hat er beschlossen, nicht mehr aufzustehen. Hast du die klaffende Wunde gesehen? Eine sterbende Triceratops-Mama mit ihrem verzweifelt fiependen Kälbchen! "Es stirbt," rutscht es Angelika traurig heraus. In diesem seltsamen Moment spüren wir Mitgefühl für ein Wesen, das vor Millionen Jahren gelebt hat – oder vielleicht nie, zumindest nicht so.
Plötzlich lässt ein Brüllen den Wald erzittern, das nicht nur uns äußerst bekannt vorkommt. Ein kleiner Bub plärrt entsetzt los, der Vater tut lachend sein Bestes, seinen Sohn zu beruhigen. Auf einer kleinen Lichtung versteckt sich der T-Rex, das Maul offen und wiegt sich hin und her. Er bewacht seine frische Beute. Die Haut wirkt echt. Die Augen? Fast zu echt. Als er sich widerlich grinsend zu Didi umdreht, bleiben wir filmend unter ihm stehen, spüren eine Gänsehaut. Es ist nicht Angst. Es ist… Ehrfurcht?
Die Techniker haben in diesem Park ganze Arbeit geleistet. Die Bewegungsmelder im Inneren der Monsters funktionieren und man kann sich den gelben Reptilblicken gar nicht entziehen. Saurier haben etwas ungut Lebendiges, wenn sie sich nach dir umdrehen und man den heißen Atmen im Genick spürt! Einige Kleinkinder sind hier überfordert und drücken sich an ihre Eltern.
Gruselig ist es hier manchmal. Wenn der Wald dichter wird, die Geräusche lauter, die Silhouetten der Urzeittiere sich plötzlich in den Schatten bewegen – oder sich das Gehirn einbildet, sie würden es tun. Aber genau das ist das Faszinierende. Die Mischung aus Realität und Vorstellung. Die Illusion, dass wir für einen Moment durch etwas wandern, das wir nie begreifen werden.
Am Ende des Weges stehen wir unter einem Brachiosaurus. Langhals. Gigant. Sanfter Riese. Sein Hals verschwindet in die Baumwipfel. Wie klein wir doch sind – selbst auf unseren Maschinen, mit all unserem Lärm, unserer Technik, unserer Geschwindigkeit. Die Motorräder stehen draußen – laut, bunt, schnell, lebendig. Drinnen: eine andere Zeit, eingefroren und seltsam zum Greifen nah.
Während wir zurück zum Parkplatz gehen, sind wir wirklich ehrlich beeindruckt. Das war großartig! Ein Ort, der die Phantasie anregt! Aber wir steigen nicht sofort auf. Wir drehen uns noch einmal um. Und sehen in der Ferne, halb zwischen den Bäumen, den Schatten eines Riesen. Still. Wach. Und irgendwie… da.
Als wir später "Gut Knuthenborg" verlassen, sind wir staubig, verschwitzt und ein wenig sprachlos. Es war kein Abenteuer im klassischen Sinn. Natürlich keine Gefahr, nicht einmal Drama! Aber es war… anders. Echt.
Der Wind weht salziger, je näher wir der Küste kommen. Hinter uns liegen Tierblicke, Sandwege, Abende voller Freundschaft, Dänemark. Vor uns: Gedser. Der letzte Punkt auf der Karte, bevor das Wasser - und später die Autobahn - wieder die Richtung vorgibt.
Die Straße in den Süden der Insel wird schmaler, welliger, als würde sie sich selbst nicht sicher sein, ob sie wirklich enden will. Wir kennen den Weg schon. Das kleine weißgekalkte Haus, fast zu hübsch für skandinavische Zurückhaltung, taucht hinter einer Hecke auf – schief, freundlich, vertraut.
Wir werden erwartet. Nicht mit offenen Armen, sondern mit einem kleinen Nicken, einem „Na, wieder unterwegs?“ und einer gewaltigen Tasse Kaffee. Die Menschen hier sind ein bisschen sonderbar – eine Mischung aus Hafenromantik, Selbstgebautem und stiller Weisheit. Keiner stellt Fragen, die tiefer gehen als nötig. Und doch fühlt es sich in Marielyst an wie Heimkommen.
Die Nacht in dem alten Zimmer ist ruhig. Nur der allgegenwärtige Wind schabt am Fensterrahmen, und irgendwo summt ein kleines Radio leise vor sich hin. Wir liegen wach und denken an Dänemark, was wir mitnehmen. Nicht als Gepäck, sondern als Gefühl.
Manche Orte schreiben sich nicht durch Sehenswürdigkeiten in die Erinnerung. Sondern durch Menschen. Und durch das, was sie nicht sagen müssen, um dich zu berühren. Denn manchmal sind es nicht die langen und spektakulären Reisen, sondern die schrägen, stillen, unerwarteten Begegnungen, die bleiben, die etwas bedeuten. Wir freuen uns schon aufs nächste Mal!
Ein ungewöhnlicher Bericht von einer Motorradreise, aber ihr seid immer für eine Überraschung gut!
LG TinA
PS.: Ich warte sehnlich auf den Bericht aus Frankreich!
pure emotionen! ich kann das beim lesen richtig mitfühlen.
Den safaripark in gänserndorf habe ich auch geliebt! kindheitserinerungen.
dlzg
der rider aus der grünen steiermark
Danke, danke für diesen tollen Bericht von einem ungewöhnlichen Motorradziel!
Ihr habt uns DK wirklich schmackhaft gemacht und wir planen unsere erste Reise dorthin.
Was meint ihr, wie lange soll man dort rumfahren für einen ersten Eindruck?
LG Micha und Michi
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