Uiii, wir sind aufgeregt! 1. September 2023! Die erste Reise mit den neuen Transalps, die erste wirklich lange Anfahrt seit vielen Jahren ohne Autozug! Schon vor dem Weckerläuten sind wir hellwach und schlüpfen ins Textil. Die Transalps warten bereits beladen in der Tiefgarage. Angelika hat sich extra eine kleine Ortlieb-Rolle mit 24 Litern gekauft. Das müsste für eine Woche reichen, oder? (Mit 49 Litern sind wir ein ganzes Monat unterwegs...)

Es ist 6:40 Uhr, als wir uns in die Hauptverkehrsader Wiens einfädeln. Das war der Plan! Heute ist Freitag und wir wollen noch vor dem Berufsverkehr raus aus der Stadt! Der Himmel ist wolkenverhangen, es ist noch ziemlich finster, als wir über die Autobahn A22 gen Norden düsen. Wir haben den SPORT-Modus angeklickt. Full Power! Die Transalps laufen fantastisch. Was für großartige Reisemaschinen!

Nach nur einer Stunde stehen wir an der Grenze zu Tschechien und paddeln die Motorräder unter das Vordach einer Tankstelle. Der graue Niesel lässt die grellbunte Szenerie von Excalibur City noch depressiver erscheinen. Traurig fauchen die Plastikdrachen ihren Rauch in den Regenhimmel. Niemand beachtet sie.

Wir kaufen uns ein paar trübsinnige Tramezzini und fischen die pappigen Brote aus dem Kunststoff, während wir einen starken Kaffee schlürfen. Dieses Frühstück passt zu unserem Vorhaben: Einfach nur schnell an die Ostsee! Für Schönes, Angenehmes oder Spannendes bleibt bei so einer Strecke keine Zeit. Aber das ist ok!
Durch Znojmo und an Jihlava vorbei durchqueren wir den langweiligsten Teil Tschechiens.

Was ehemals prächtig war, ist abgewohnt und verfallen und das meiste hier war nie prächtig. Das stellen wir fest, als wir bei Jihlava eine schnelle Trink- und Rauchpause einlegen. Die kleine Stadt war in ihrer Geschichte in den Händen der Böhmen, der Preußen, der Schweden und der Österreicher, bevor sie endgültig tschechisch wurde. Wir haben sie vor wenigen Jahren mal besucht, am Weg in die "Sächsische Schweiz".
Wir sorgen uns mehr um die feuerrote Linie, die Googlemaps rund um Prag anzeigt. Stau?! Lass uns weiterfahren! Die nächsten 170 Kilometer verlaufen völlig ereignislos. Dennoch wird uns mit den neuen Motorrädern nicht fad und wir probieren während der schnurgeraden Fahrt alles aus, was das spiegelglatte Display hergibt.
Meine Güte, mit 92 PS reist es sich aber verdammt viel komfortabler als mit 50! Das ist keine ganz neue Erkenntnis, macht aber vor allem bei unseren zahlreichen Überholvorgängen mächtig Freude. Heute ist ein Wochentag, der heftige Fernverkehr wäre geradezu unerträglich!

Was für ein Glück! Der Mega-Stau rund um Prag findet auf der Gegenfahrbahn statt und wir tuckern in angemessenem Tempo um die tschechische Hauptstadt. E50/E65/E55. Hoffentlich verfahren wir uns nicht! Es geht langsamer voran als erhofft, aber es geht voran! Es ist kurz vor Mittag und wir haben Hunger. Die klumpigen Brötchen von der Grenze waren ein kulinarisches Trauerspiel.

Deshalb und weil wir das Stadtgebiet hinter uns haben, reicht stilles Einverständnis und wir fahren bei einer Tankstelle bei Zdiby von der Autobahn ab. Pause! Mal schauen, was es beim "Fresh Corner" gibt! Wir haben gerade noch Zeit die Geldbörse aus dem Topcase zu kramen, als ein deutscher Reisebus auf uns zurollt. Einer von den ganz großen!
Angelika lässt alles liegen und stehen und sprintet aufs WC. Wenn einmal 80 Renterinnen bei den zwei Türen anstehen, dann ... lass uns nicht daran denken! Sie hat es mit einer Mischung aus Rücksichtslosigkeit und gespielter Ahnungslosigkeit über die Umstände hier geschafft und war die erste. Jetzt ist Zeit für die Speisekarte!

Wir freuen uns sehr! Hier gibt es Hotdogs, wie in Norwegen! Frisch vom Grill mit getoasteten Brötchen und mit alles! Wir laden eine größere Fuhre auf unser Tablett und tragen die Beute nach draußen. Mampfend betrachten wir die Trostlosigkeit von Industrievororten, die wohl überall in der Welt gleich aussehen.
Nur noch 160 Kilometer! Wir haben uns an das sonore Knurren von 750cm³ längst gewöhnt, als wir die Transalps gen Norden scheuchen. Ganz langsam wird auch die Gegend interessanter. Immer öfter sehen wir Berge, Seen und eine wunderbare Landschaft neben uns. Ob der Fluss da unten schon die Elbe ist? Der Wegweiser "Ústí nad Labem" lässt darauf schließen.

Und unvermittelt, neben einer hässlichen Lärmschutzwand, überschreiten wir die deutsche Grenze. Zum Glück wollten wir ein Foto vom winzigen Grenzschild knipsen und hatten deshalb auf die erlaubten 60 km/h reduziert. Die deutschen Polizisten haben sich wirklich gut hinter ihren Autos versteckt!

Ein Überkopfwegweiser liefert die Erklärung für die schöne Gegend: Wir lesen bekannte Namen wie Königstein, Sebnitz, Bad Schandau! Rechts von uns liegt die Sächsische Schweiz! Auf der A17 nähern wir uns Dresden. Schau! Da liegt Heidenau! Besonders Angelika freut sich schon auf die erste Umbereifung ihrer Transalp. Der ab Werk montierte Metzeler Karoo Street ist gut, aber ihr Lieblingsgummi ist eindeutig der K60 Scout.
Es ist genau 15:00 Uhr, als wir am Dreieck Dresden-West auf die A13 auffahren. Wir hatten Glück, der Verkehr hielt sich in Grenzen und wir haben keine Abfahrt verpasst! Eine letzte Trinkpause vermasseln uns dunkle Wolken, die in Fahrtrichtung aufgezogen sind. Schaffen wir es noch trocken in die Unterkunft? Noch 22 Kilometer.

Bei Radeburg verlassen wir endlich die Autobahn, auf der wir viele hundert Kilometer gefahren sind. Puuhh! Mit offenen Augen rollen wir durch das einfache Dörfchen. Irgendwie dachten wir, dass wir näher an der prächtig renovierten Stadt Dresden übernachten, aber Berbisdorf ist ... nunja. Wie soll man sagen?
Ein vergessener Ort, grau, menschenleer, schmucklos, ein Dorf am Rande der Geschichte. Nicht alle Häuser tragen vollständigen Verputz, dafür wird die ein oder andere Blessur durch einschlägige Flaggen oder Bilder abgedeckt. Im Gegenzug dazu wird die politische Gesinnung dieser Region nicht versteckt.
Um 15:40 Uhr haben wir unsere Pizzeria erreicht! Nach neun Stunden Fahrtzeit und einer durchschnittlichen Tagesgeschwindigkeit von 54 km/h. Nicht schlecht für die erste lange Fahrt mit "den Neuen"!
Der Empfang in diesem Familienbetrieb ist warmherzig, man spricht die italienische Muttersprache! (Wofür man in dieser Ecke Deutschlands im Netz böse Kritiken erntet.) Das Zimmer ist hübsch, die Lage ruhig und unsere neuen Transalps haben wir im Blickfeld. Uns gefällt das alles sehr!

Das Abendessen hält, was das Ambiente verspricht. Es ist einfach extrem gut! Wir jausnen die Spezialitäten in uns hinein und freuen uns, mitten in Sachsen diese italienische Insel gefunden zu haben. Doch es dauert nicht lang und die lange Fahrt fordert ihren Tribut. Angelika schläft um 20:00 Uhr schon tief und fest und auch Didi hält nicht sehr viel länger durch. Wir müssen morgen wieder fit sein: Die zweite Halbzeit an die Ostsee!
Tageskilometer: 490 km
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