1. Tag: Hamburg - Travemünde - Kiel

Es ist Donnerstag, der 8.9., 8:50 Uhr. Wir stehen müde und orientierungslos in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs. Ach, dort ist der Ausgang! Verschlafen stiefeln wir in unseren klobigen Motorradsachen ins Freie. Den Rucksack haben wir halb geschultert. Er wiegt genau 7,5 kg. Für unser Abenteuer lautete der Befehl "LEICHTES Gepäck" und das haben wir auch geschafft!

Gestern abends haben wir in kompletter Motorradausrüstung in Wien den Zug geentert. Die Transalps bleiben zuhause, denn für diesen Kurzurlaub haben wir in Kürze ein Date mit Honda Harke! Und weil der Hauptbahnhof dafür günstiger liegt als die Endstation in Altona, bei der wir jeden Quadratmeter auswendig kennen, sind wir überstürzt aus dem Waggon geklettert. Wir brauchen ein Taxi!

Liegt es daran, dass wir im Privatabteil des Liegewagens so schlecht geschlafen haben, oder spinnen die hier wirklich? Es ist unfassbar, welch Krieg um die wenigen Taxis ausgebrochen ist! Es fehlt nicht viel, und die Leute beginnen eine Keilerei! Wenn wir nur wüssten, wo die Haltestelle ist, könnten wir mitmischen!

Nachdem wir mit unserer Höflichkeit ein paar Mal gescheitert waren, schnappen wir diesem jungen Pärchen einfach das Taxi vor der Nase weg. Tut uns leid, wir habens eilig! Wir hocken in unserem Motorradjacken recht unbequem in dem engen Auto aber der Fahrer scheint den Weg zu kennen. Damit er auf keine blöden Ideen kommt, wie es in Rom Touristen gerne passiert, lässt Angelika demonstrativ Googlemaps mitlaufen. Auf eine unfreiwillige Stadtbesichtigung haben wir heute keinen Bock!

25 Minuten und 48.- später stehen wir vorm Eingang des großen Motorradhändlers am Rande der Stadt. Während wir uns umschauen, eilt Herr Fiete auch schon auf uns zu und begrüßt uns mit festem Händedruck. Mit ihm haben wir in den letzten Wochen alles vereinbart. Ein netter Typ!

Ein paar Formalitäten später betrachten wir unsere hübschen Mietmotorräder. Uns war das Modell im Vorfeld vollkommen egal ("It´s always the driver, never the bike!"), aber jetzt freuen wir uns! Eine kleine Honda CB500X und eine Honda NC750X warten frisch geputzt auf uns. Nur eine schnelle Sitzprobe und schon haben wir uns entschieden: Angelikas klobige Endurostiefel passen besser zum Schalthebel der kleinen CB.

Es ist 11:00, als wir endlich vom Hof rollen. Das hat prima geklappt! Die ersten paar Meter noch vorsichtig, beeilen wir uns dann aber, aus Hamburg raus zu kommen. Wir wollen nach Travemünde und zu "unserem" schönen Campingplatz in Ivendorf! Dort, wo wir vor 10 Wochen das letzte Mal übernachtet haben, dort wollen wir frühstücken!

Zum Glück haben wir uns vorhin entschieden, das Regenzeugs anzulegen! Denn wie allermeist, wenn wir da sind, ist es in Hamburg trüb, bewölkt und mit 19°C schaut es nach Regen aus. Wir nehmen den direkten Weg, denn zum Eingewöhnen ist die Autobahn perfekt! Zügig bollern wir jetzt die A1 gen Norden entlang. Die beiden Motorräder gehen richtig gut und wir haben viel Spaß!

Bei Hammoor kurven wir spontan auf einen kleinen Parkplatz. Es regnet noch nicht, also haben wir Zeit für eine Manöverkritik! Wir stapfen um die fremden Gefährte und tauschen uns aus. Sitzposition? Klasse! Kniewinkel? Passt! Zügig am Gas? Aber ja, ausreichend! Das Handling? Jo super leicht! Das ungewohnte Display? Naja, der Digital-Tacho nervt aber das Wichtigste erkennt man. Die beiden neuen Hondas gefallen uns ausnehmend gut!

Doch die erste Überraschung folgt sogleich. Als wir wieder auf die Autobahn rausfahren, lernt Angelika die 500ccm³ und 48 PS kennen: Die Kleine schiebt nicht an! Hastig hakelt sie die 6 Gänge hoch und zieht bis zum Begrenzer am Gas. Die kleine Honda jault verzweifelt auf, aber das muss jetzt! Die deutsche Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ist für uns immer eine Herausforderung, aber jetzt wird es spannend, bis sich Angelika in den Fließverkehr einreihen kann. Puuhh, das war jetzt ungewohnt!

Bei Bad Schwartau ist Travemünde bereits angeschrieben. Und der Skandinavienkai! Augenblicklich überfällt uns ein intensives Urlaubsgefühl, während wir Lübeck umrunden und auf der B75 den bekannten Weg Richtung Meer manövrieren. Wir werden am Campingplatz Currywurst frühstücken! So wie im Sommer am Weg nach Finnland!

Ja denkste! Das Wurststandl in Ivendorf hat geschlossen und auch die Rezeption sperrt gerade zu. Wir bekommen gerade noch ein großes Häferl Kaffee, bevor sich der Typ freundlich verabschiedet. Kein Brötchen, keine Wurst, kein Frühstück. Doch wir haben kaum Zeit, uns ausgiebig zu ärgern, denn soeben fallen da draußen die ersten Tropfen.

Wir eilen zu den Motorrädern, machen uns wasserdicht und kontrollieren auch den Regenschutz unserer neuen Rucksäcke. Los, fahren wir! Wir haben keine Karte eingesteckt und auch kein Navi an Bord. Jetzt müssen wir die Strecke nach Kiel auswendig finden!

Über Scharbeutz, Eutin und Plön finden wir auf der B76 zur B202 nach Selent. Wir richten uns nur nach Straßenschildern und suchen bekannte Namen. Es schüttet aus Kübeln und ins Visier regnet es längst hinein, während wir die schön geschwungenen Straßen vorsichtig dahinkurven. Wer weiß, wie sich fremde Motorräder und Reifen bei so einem Sauwetter verhalten?

Wir freuen uns gerade ausgiebig auf eine schöne Kaffeepause am Rastorfer Kreuz, das wir seit einem Treffen mit Svenja Svendura in allerbester Erinnerung haben, als wir nach einer Kurve hart herunterbremsen. Eine Straßensperre verbietet uns den Weg auf der B202. Meine Güte, was ist da schon wieder los?! Wir gucken, ob wir trotz Sperre weiterfahren können, bis zum Wirtshaus sind es nur drei Kilometer! Aber es ist aussichtslos, hier geht gar nichts.

Es bleibt uns jetzt nichts über, als über kleine und kleinste Güterwege ohne jede Beschriftung weiter Richtung Kiel zu tuckern. Also wir hoffen, dass es hier Richtung Kiel geht! Viel zu viele zu lange Kilometer rollen wir im Starkregen übers einsame Land, an alten Bauernhöfen vorbei und an Dörfern, in denen bei dem Wetter keine Menschenseele zu sehen ist.

Wie durch ein Wunder erreichen wir wieder die B76 und endlich ist Kiel wieder angeschrieben! Wir fühlen uns nass und klamm und ungemütlich, als wir im Schwentinental unter dem Dach einer Tankstelle Zuflucht finden. Wir hatten immer noch kein Frühstück! Es ist schon später Nachmittag, als wir die übriggebliebenen Brötchen aus der Vitrine hungrig in uns hineinmampfen. Was für eine traurige Notlösung für Didis Geburtstagsfrühstück!

Es sind noch 10 km bis in unser Kieler Lieblingshotel und der Regen lässt nicht nach! So ein Mist! Wir hoffen, auf gut Glück den kürzesten Weg zu finden. Natürlich gelingt das nicht, immerhin kommen wir von einer völlig ungewohnten Richtung in die hübsche Landeshauptstadt! Doch mit den weithin sichtbaren Schildern der Konsumtempel CITTI-Park und IKEA finden wir ins Hotel und kurven sogleich auf den kleinen Parkplatz im Hof. Es ist genau 16:00.

Manchmal funktioniert alles und manchmal eben nicht. Heute eben nicht. Wir stehen im Regen vor geschlossenen Türen und studieren den gleichen Zettel, der auch zu Weihnachten 2022 schon an der Türe hing, bevor wir per Mail die intern erledigte Umbuchung in ein Altstadthotel erhielten: Wegen Corona geschlossen. Fassungslos schauen wir uns an.

Heute haben wir keine Umbuchung bekommen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, als wir - einige Telefonate und gezählte zwei Wutausbrüche später - wieder ins bekannte Ausweichhotel fahren. Es regnet immer noch ohne Unterbrechung, als wir um 17:30 endlich ein Zimmer und zwei Abstellplätze für die Mietmotorräder haben. Der nette Typ an der Rezeption entschuldigt sich wortreich für das Chaos und wir dürfen als Entschädigung die Motorräder genau vor die Auslage an den Straßenrand stellen.

Als wir um 19:30 frisch geduscht und aufgewärmt über den Exerzierplatz zu Didis Geburtstagsessen eilen, schauen wir auf die Uhr. Genau jetzt steigt Svenja in Lörrach in den Nachtzug und beendet ihre Frankreichreise. Morgen ist sie zuhause und wir werden sie erwarten, wie Freunde das halt so tun! Wir grinsen uns an. Das haben wir klasse organisiert!

Das Restaurant war eine großartige Wahl! Wir bestellen die "Große Seglerpfanne" für Didi und ein leckeres "Lachs-Krebs-Gratin" für Angelika. Davor gibt es noch eine mit Gin sensationell abgeschmeckte Tomatencremesuppe. Während Didi mit "Flensburger Bier" seinen Geburtstag feiert, prostet Angelika ihm mit ihrer geliebten "Rhabarberschorle" zu.

Spätestens das großartige Essen im "Mohrenkopf" hat uns für die furchtbare Regenfahrt entschädigt und immerhin sagen alle Wetter-Apps, dass morgen ein schöner Tag wird.
Gute Nacht, Kiel!

Tageskilometer: 190 km

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Erfolgreich fremdgegangen :-)

toll!

hey ihr beiden, was finde ich da? eine neue kleine kurztour im herbst? ich freu mich über neuen lesestoff und inspirationen!
liebe grüße
TinA

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zuletzt aktualisiert am 22.3.2024